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Eine "Nacht der lichten Träume" für harmoniesüchtige Omas.

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Eine "Nacht der lichten Träume" für harmoniesüchtige Omas.

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Lauter starke, schöne, hochintelligente, selbstverständlich reiche Frauen bevölkern einen Roman, der in Hongkong spielt. Hongkong besteht hier nur aus Nobelrestaurants, die mit dem Taxi angesteuert werden, großen Wohnungen, meist ist es schwül, Madame trägt reine Seide und ununterbrochen Lippenstift auf. Leider überfallen die Japaner die Stadt und führen sich auf wie eine Besatzungsmacht. Doch die höheren Töchter, eine auf dem Weg zur Bühnenkarriere, die andere zum Kunststudium in Kalifornien, werden nur fast vergewaltigt, die Geschäfte des Vaters gehen zwar schlecht, Mama hat aber genug Perlen zum Versetzen und die Fabrik der Tante wird nach den japanischen Plünderungen auf wundersame Weise schnell wieder aufgebaut.

Die Flucht nach Macao liest sich wie ein Ferienaufenthalt und nach der Rückkehr werden eifrig Dates für die Töchter arrangiert, doch statt unter die Haube kommt die eine Schöne ins Bett eines Regisseurs, von dem sie sich aber abwendet, weil er verheiratet ist. Die andere darf in San Francisco studieren, von wo sie nach vielen Jahren jung verwitwet und als Mutter eines kleinen Mädchens wieder zurückkehrt. Mutter, Tante und die Schwestern sind wieder vereint, es riecht nach den herrlichen Gerichten der alten Köchin, die Männer sind allesamt tot und die Frauen glücklich, wenn der Sherry warm die Kehle hinunterrinnt. Und das auf über 300 Seiten, von denen man aber mühelos etliche überblättern kann, ohne den Seidenfaden zu verlieren. Eine Soap Opera voller Stilblüten: "Die Kinderlosigkeit hallte in ihrem Körper wider wie das Echo in den leeren Räumen eines Hauses, in denen nie Möbel stehen würden." Ein Roman für harmoniesüchtige Omas also, die täglich von der guten alten Zeit träumen, in der es noch noble Damen gab und vor allem darauf ankam, daß die Familie zusammenbleibt und sich ja nichts ändert, daß die gottgegebenen Rollen nicht hinterfragt werden, man Unangenehmes verschweigt und nicht zu viele Fragen stellt. Ihnen mag das Buch der japanisch-chinesischen Autorin Gail Tsukiyama gefallen. Es erinnert an ein chinesisches Essen in einem europäischen China-Restaurant: aufwendig, ein bißchen exotisch, aber trotzdem fad.

Nacht der lichten Träume. Roman von Gail Tsukiyama Aus dem Amerikanischen von Maria Andreas. Europa Verlag, Wien 1999 319 Seiten, geb., öS 291,-/e 21,14

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