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Die finanzielle Selbstständigkeit der Frau "ist der letzte Schritt zum Bolschewismus", die materielle Abhängigkeit des Mannes von seiner Partnerin führt ins Desaster: "Das sind halt so Naturgesetze." Aus der Natur haben die "armen Kulturmenschen ... eine Zwangsjacke" gemacht. Doch ist "die gestrige Blutwurst - ein Gedicht!", dagegen aber "das Weib - ein Rätsel, eine Sphinx".

Die Personen, die solches von sich geben, hat Ödön von Horváth in seinen bitterbösen "Geschichten aus dem Wiener Wald" auf die Bühne gestellt und ihre gesammelten Gemeinplätze in einem Aufsatz als Bildungsjargon bezeichnet. Was diese Wesen von sich geben, ist zugleich unerheblich und überheblich, ihre Ausdrucksweise ist angemaßt, nicht angemessen: sie parlieren sozusagen "von der Stange". Sie vergreifen sich an Ideen, Sachverhalten und Bildern von der Welt, die sie nicht wirklich begreifen. Ihr Gespräch verkommt zu einer Montage von Redensarten, Sprichwörtern und Anleihen aus dem Kulturvokabular.

Doch Horváths Kunstfiguren haben gleichwohl Ideale, Illusionen, Wünsche an das Leben. Zwei junge Leute suchen tastend und unbeholfen nach einem eigenen Tonfall: "Du machst mich so groß und weit" - "Und du erhöhst mich. Ich werd ganz klein vor dir in seelischer Hinsicht."

Doch bald verlieren sich diese Ansätze einer Intimsprache im Dickicht der Kalendersprüche aus dem Umfeld: "Gottes Mühlen mahlen langsam, mahlen aber furchtbar klein." - "Wen Gott liebt, den prüft er!" Und Pauschalurteile nehmen überhand: "egozentrische Person", "verkommenes Subjekt", "erbärmliches Individuum".

In der Vorstellungspause wurde ich ungewollt Ohrenzeuge einer Unterhaltung zweier Theaterbesucher: "Also ich finde die Aufführung höchst problematisch!" - "Aber immerhin ganz interessant!"

Der Autor ist Professor für Sprachwissenschaft in Salzburg.

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