Falsche Hieroglyphen für echtes Geld

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Ob Urkunden, Papyrusstücke oder Siegel: Vom Mittelalter bis in die Gegenwart war nichts vor Fälschern sicher.

Zur Urlaubszeit präsentiert das Papyrusmuseum der Österreichischen Nationalbibliothek eine Ausstellung, die einzig den Kopien und viel mehr noch den Fälschungen des griechischsprachigen Kulturraums gewidmet ist: "Kopie und Fälschung" (bis 26. Oktober). Während in der zeitgenössischen klassisch-antiken Literatur immer wieder von Fälschern die Rede ist, stehen uns synchrone Fälschungen erst ab dem vermehrten Auftreten der Schriftdokumente zur Verfügung, für den griechischsprachigen Raum vornehmlich aus byzantinischer und postbyzantinischer Zeit.

Gefälscht wurden sehr häufig Schriftstücke, um die Lehre eines "Meisters" gegen etwaige Angriffe zu schützen; in diese Kategorie fallen auch die reichlichen christlichen Fälschungen, die einen der Häresie angeklagten Schriftsteller orthodox reinwaschen wollten. Charakteristische und sehr ansehnliche Beispiele hierfür liefern Konzilsakten: Als man etwa im Zusammenhang der Auseinandersetzung mit drei Kirchenlehren, die man des Nestorianismus beschuldigte, Briefe des Papstes Vigilius an Kaiser Justininan und des Patriarchen Menas von Konstantinopel an denselben Papst fälschte. Beim nächsten ökumenischen Konzil (680/681) wurden dann die Umstände der Fälschung eruiert.

Doch mag eine Zuschreibung auch deshalb erfolgt sein, um einem Werk einen besseren Vertrieb zu ermöglichen, oder es fühlte sich ein Schüler seinem Meister so sehr verpflichtet, dass er seine Niederschrift im Namen seines Meisters herausgab: Die apokryphen Evangelien geben hierfür gute Beispiele, wiewohl gerade diese mit ihren anschaulichen Erzählungen (Geburt Christi in der Krippe) zum Bestandteil der abendländischen Kultur geworden sind.

Daneben treten uns auch Fälschungen und Verfälschungen im juristischen Bereich entgegen: Immer wieder unterliegt ein Kloster der Verlockung, sich neue Besitzungen und Vorrechte zuzuschreiben; zahlreiche derartige Fälschungen sind etwa für die Athosklöster noch immer erhalten. Ein besonders spektakuläres Beispiel ist eine kaiserliche Privilegienurkunde angeblich aus dem Jahr 1336 für das Muttergotteskloster Olympiotissa in Elasson, Thessalien, das noch in der Neuzeit herangezogen wurde, wie die Stempelmarke auf der Rückseite bezeugt.

Als im 19. Jahrhundert die Ausgrabungen in Ägypten reiche Papyrusfunde zutage brachten und viele sensationelle Texte entdeckt wurden, stieg das Interesse, das bis zu unseren Tagen anhält. Das Angebot ist mittlerweile nicht mehr so erschöpfend und daher sind Papyrusstücke hoch im Angebot. Dies machen sich Fälscher zunutze und bieten auf dem Markt zum Teil sehr sensationelle Stücke an: Doch je spektakulärer und einmaliger die Stücke sind, umso mehr Sorgfalt ist geboten.

Die Wiener Papyrussammlung besitzt rund 1.000 Fälschungen unter ihren 180.000 Objekten, die mit den großen Konvoluten von Papyri Ende des 19. Jahrhunderts mitgekauft wurden. Unter diesen Objekten zeigt sich noch die Naivität einiger Fälscher: Papyrus-, Pergamentstücke und antike Scherben (so genannte Ostraka) mit keiner oder minimaler Schriftspur wurden dabei wiederverwertet, indem alte Schriften (Hieroglyphisch, Griechisch, Koptisch, Arabisch) nachgeahmt wurden. Diese Fälschungen, die sehr einfach zu identifizieren sind, stehen denjenigen weit nach, die vorgeblich antike Texte imitieren. Und doch: Es steckt hier die Tendenz dahinter, dass ein beschriebenes Blatt größeren Wert hat als ein leeres Papyrusstück - und so lassen sich auch Touristen täuschen, denen man einen angeblich wertvollen antiken Papyrustext zum Kauf anbietet.

In diese Richtung gehen auch immer wieder auf dem Markt angebotene koptische Stoffstücke: Da eine komplette Darstellung eines Motivs, etwa einer Nilszene, im Handel mehr Umsatz erzielt als bloße Stoffreste, scheuten sich (Ver)Fälscher unserer Zeit nicht, verschiedenste Stoffrestchen wieder zu einem ganzen zusammenzufügen.

Kuriose Vorfälle

Ein Könner seines Faches war der Grieche Konstantinos Simonides (1820 bis 1867), der zahlreiche Handschriften perfekt gefälscht hat und so lange Zeit viele Wissenschaftler narrte. Sein spektakulärster Fall: Er fälschte in Liverpool einen Papyrus, der Teile des Matthaeus-Evangeliums enthielt, und zwar mit dem Zusatz, dass er "im 15. Jahr nach der Himmelfahrt Christi im Auftrag des Apostels geschrieben wurde". In der Nationalbibliothek Wien ist heute noch eine Fälschung aus seiner Feder zu bewundern.

Fälscher arbeiten immer nach einer Vorlage: In einigen Fällen lassen sich diese Vorlagen auch noch finden und den Fälscher mitunter an kleinen Fehlern überführen. Hierbei kann es zu kuriosen Vorfällen kommen: Der griechische Fälscher Manolis Pelekasis (geboren 1881) zeichnete detailgetreu nach der Vorlage eines Pariser Codex Miniaturen, die er auf leeren oder abgeschabten Einzelblättern in Handschriften einfügte: Alles stimmt haargenau mit der Vorlage überein mit der Ausnahme der Farbe: denn die Vorlage war ein Faksimileband mit Schwarz-Weiß-Abbildungen.

Da Papyrusdokumente immer wieder von (Ton)Siegel begleitet waren, wurden in der Ausstellung erstmals auch jene Siegel gezeigt, für die uns Fälschungen greifbar sind, das heißt Bleisiegel aus byzantinischer Zeit. Auch hierbei lässt sich wie bei den Papyri und Stoffen festhalten, dass die besondere Nachfrage in unserem Jahrhundert zu Fälscherwerkstätten und zu einem Fälschungsunwesen geführt hat. Und wie bei den Papyri gilt: Je schöner und sensationeller sich ein Stück präsentiert, umso mehr Bedenken ist geboten. Die byzantinische Sigillographie, dessen weltweit anerkannten Forscher unter anderem in der Kommission für Byzantinistik der Österreichischen Akademie der Wissenschaften tätig sind, ist heute so weit fortgeschritten, dass anhand einer Reihe technischer Details Fälschungen erkannt werden. Die Fälscher verraten sich oft dadurch, dass sie in ihrem Streben, möglichst sensationelle Kombinationen von Rück- (Revers) und Vorderseite (Avers) herzustellen, gegen die überlieferten oder chronologisch gesicherten Typen verstoßen.

Der Grund für Fälschungen liegt auf der Hand, wenn man bedenkt, dass ein gefälschtes Siegel, das dem Thronprätendenten Thomas den Slawen (822) zugeschrieben wird, um 10.000 DM und ein angebliches "Einbalsamierungsbuch" um 5.000 Dollar angeboten werden.

Die Kopie, die sich von der Fälschung in der Intention unterscheidet (erstere versteht sich als Abbildung des Originals und gibt nicht vor, das Original zu sein), erlebt in unseren Tagen durch die Faksimile-Herstellung eine neue Blüte: Die Möglichkeit, ein unerschwingliches Schriftstück dennoch detailgetreu zu besitzen, ließ ein österreichisches Unternehmen, die Akademische Druck- und Verlagsanstalt Graz, zum Weltmarktführer mit mittlerweile mehr als 120 Faksimile-Ausgaben der bedeutendsten Handschriften werden, wobei nicht nur auf die perfekte Farbtreue, sondern auch auf die blattgetreue Beschneidung jedes Einzelblattes nach der originalen Vorlage Wert gelegt wird. Eines der letzten Prachtstücke ist ein armenischer Tetraevangeliar-Codex, der 2000 erschienen ist, der so genannte Codex Etschmiadzin mit detailgetreuer Nachahmung des Elfenbeineinbandes und dessen Ehrenschutz das Haupt der armenischen Kirche, der Katholikos der Armenier Karekin I. (und nach dessen Tod Karekin II.), übernommen haben.

Der Autor ist Mitarbeiter der Österreichischen Akademie der Wissenschaften/Kommission für Byzantinistik

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