Werbung
Werbung
Werbung

Zweimal Graz: Josef Haslingers "Vaterspiel" und Georg Friedrich Händels "Semele".

In Zeiten boomenden Crossovers gehört es für ein Theater heute beinahe schon zum guten Ton, mitunter auch einen Roman zu inszenieren. Dass dem Grazer Schauspielhaus dieses per se nicht unproblematische Unterfangen mit der szenischen Uraufführung von Josef Haslingers Bestseller "Das Vaterspiel" theatertechnisch misslungen wäre, kann nicht behauptet werden.

In der Regie von Deborah Epstein und Marcus Mislin, von dem auch die Theaterfassung des Textes stammt, bot man mit funktionell versenk- und drehbarem Bühnenbild eine geschickt ausgewählte und schauspielerisch professionell präsentierte Szenenfolge der österreichischen Familiensaga à la Haslinger: Der Vater ein sozialdemokratischer Minister (Franz Solar), Sohn eines Antifaschisten und ehemaligen KZ-Häftlings, die Mutter (Friederike Bellstedt) aus erzkonservativer Familie; das Scheitern der elterlichen Beziehung wird aus der Perspektive des Sohnes (Dominik Warta) gezeigt. Anstatt sich dem Studium zu widmen, entwickelt dieser ein Computerspiel, bei dem man seinen Vater töten kann. Parallel zu den grotesk überzeichneten Familienszenen läuft die sachlich zu Protokoll gegebene Anklage eines jüdischen Überlebenden aus Litauen (Otto David), der einen Nazi-Kriegsverbrecher in den USA aufgespürt hat.

Bleibt dem Stück trotz aller Bemühungen des Ensembles die dramatische Wirkung versagt, ist dies wohl auf die mangelhafte Qualität des Textes zurückzuführen. Zweifellos hat der Autor ein aktuelles Thema exponiert, jedoch begnügt er sich mit oberflächlicher Darstellung. Stereotyp blass gezeichnete Figuren, mangelnder Wortwitz, fehlende poetische Momente. Da der Autor auf Stellungnahme verzichtet, versandet selbst die politische Brisanz des Themas. Wo ästhetisch vielsagendes Schweigen angebracht wäre, setzt die allzu konstruierte Story auf hilflos anmutende Satire. Platt auch das Happy-End zugunsten des vom Loser zum Money-Maker made in USA gewordenen Helden und der plötzliche Freitod des Vaters. Auf dem Niveau eines literarischen Bastelversuchs steckengeblieben, lässt "Das Vaterspiel" jenen Mehrwert vermissen, der mit Kunst als ästhetischem Spiel verknüpft ist. Dementsprechend dünn der Applaus des denn auch zeitlich über Gebühr strapazierten Publikums.

Eine völlig andere Auseinandersetzung mit der Vergangenheit bot das Grazer Opernhaus mit dem weltlichen Oratorium "Semele" von Georg Friedrich Händel, eine aus Aix-en-Provence übernommene Produktion, die zweifelsohne zu den gelungensten der diesjährigen Saison gerechnet werden darf. Gekonnt und mit erfrischendem Humor aktualisiert die Inszenierung des Kanadiers Robert Carsen die gegen die barocke Monarchie gerichteten satirischen Züge des Librettos und spielt auf aktuelle Affären im britischen Königshaus an. Das zeitlos schlichte, durch Hell-Dunkel-Effekte stimmungsvolle Bühnenbild (Patrick Kinmonth) bildet den perfekten Rahmen für die von wechselnden Affekten musikalisch spannungsvoll aufgeladene Handlung um die tragisch endende Affäre der Königstochter Semele mit dem Göttervater Jupiter.

Nach kurzen Anlaufschwierigkeiten musizierte das Grazer Philharmonische Orchester (Leitung: Nicholas Kok) lebendig und dynamisch ausbalanciert. Durchwegs geglückt die Besetzung: Neben sängerischem Können bewiesen Claire Powell (Juno) und Margareta Klobucar (Iris) komisches Talent, Stephanie Houtzeel (Ino) und Athamas (Andrew Watts) gewannen das Publikum mit einfühlsamer Gestaltung. Marlin Miller brillierte als tadelloser Jupiter. Star des Abends war aber zweifellos Ann Helen Moen in der virtuosen, klangschön gestalteten Titelpartie.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung