Fantasy mit Augenzwinkern

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Walter Moers erzählt von 13 der 27 Leben eines blauen Bären, den Rest wird er noch erzählen.

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Walter Moers erzählt von 13 der 27 Leben eines blauen Bären, den Rest wird er noch erzählen.

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Wenn man als Neugeborenes nackt und schutzlos in einer Walnußschale mutterseelenallein auf dem Ozean schaukelt und dabei außerdem noch auf den tosenden Strudel des gefürchteten Malmstroms zutreibt, dessen gewaltiger Sog alles, was ihm zu nahe kommt, auf den Grund des Meeres zieht, dann ist das wohl nicht unbedingt der beste Beginn eines Lebens, den man sich vorstellen kann. Auch nicht in Zamonien. Aber erstens hat ein Blaubär 27 Leben und zweitens gibt es wagemutige Zwergpiraten, die ein so kleines Wesen nicht einfach seinem Schicksal überlassen. Und eines ist dabei ohnehin selbstverständlich: Die Rettung kommt immer in letzter Sekunde - manchmal auch in Gestalt eines Flugsauriers.

Walter Moers, bekannt geworden durch seine Comicreihe "Das kleine Arschloch", hat nun in seinem ersten Roman "Die 13 Leben des Käpt'n Blaubär" Atlantis wiederentdeckt und rundherum ein ganzes Universum erschaffen, samt Wundern, Greueln, Städten, Wüsten, Wäldern und allem, was darin so kreucht und fleucht, und wem das noch nicht reicht, der findet hier auch Dimensionslöcher in andere Zeiten und Welten. Abenteuer und Phantasie treiben ihre Blüten. Und das durchaus mit Niveau.

Walter Moers läßt Käpt'n Blaubär mit Wortwitz und Ironie von den Begebenheiten aus 13 seiner 27 Leben erzählen, doch über den Rest soll geschwiegen werden, denn "ein Bär muß seine dunklen Seiten haben, das macht ihn attraktiv und mysteriös". Und läßt Möglichkeiten offen für Fortsetzungen und andere Projekte, die auch nicht lang auf sich warten ließen. Mit einer neuen Episode - diesmal für Kinder - ist der blaue Bär bereits dabei, die österreichischen Kinos zu erobern.

Der Roman selbst aber ist mit seinem Umfang und seiner Fülle von Figuren, denen Leser wie Blaubär immer wieder begegnen, wohl ebensowenig zu verfilmen wie Tolkiens Trilogie "Herr der Ringe", die auch offensichtlich für einige Elemente des Buches Anregungen geliefert hat. Nur ist bei Moers alles nicht so ernst. Ein allgegenwärtiges Augenzwinkern nimmt den spannendsten Momenten vielleicht ihre Spitze, doch dem Leser keineswegs das Vergnügen.

Gelungen ist auch die visuelle Gestaltung des Romans. Eine Landkarte von Zamonien erleichtert die Orientierung, und etliche, meist witzige Illustrationen begleiten den Text. Platz sparen war offensichtlich kein Thema, und so darf hin und wieder ein Wort auch eine ganze Seite einnehmen, wenn die Handlung es erfordert. Man darf ja nicht vergessen: Walter Moers ist eigentlich Comiczeichner und "Blaubär" sozusagen ein interdisziplinärer Roman, untermauert außerdem noch durch ein "Lexikon der erklärungsbedürftigen Wunder, Daseinsformen und Phänomene Zamoniens und Umgebung" von Professor Dr. Abdul Nachtigaller, Blaubärs Lehrer in der Nachtschule in den Finsterbergen, der ... nein, das würde zu weit führen. Moers demonstriert in seinem bibliophilen Fantasy-Kleinod jedenfalls, daß sich intelligente Betrachtungen über Gott und die Welt (und europäische Politik) auch ganz gut in abstruse Geschichten kleiden lassen und außerdem, und das mag vielleicht für manche noch überraschender sein, daß deutscher Humor nicht immer eine Drohung sein muß.

Die 13 Leben des Käpt'n Blaubär. Roman von Walter Moers Eichborn Verlag, Frankfurt/M 1999. 703 Seiten, geb., öS 359.-/e 26,08

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