Fast lapidare Kürze

19451960198020002020

Der Ingeborg-Bachmann-Preis ging heuer an Terezia Mora.

19451960198020002020

Der Ingeborg-Bachmann-Preis ging heuer an Terezia Mora.

Werbung
Werbung
Werbung

Für ihren Text "Der Fall Ophelia" wurde Terezia Mora in Klagenfurt mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis ausgezeichnet. Damit stieg eine junge Ungarin in die erste Reihe der zeitgenössischen deutschen Literatur auf. Doch eigentlich ist diese Formulierung nicht ganz richtig. Frau Mora wuchs im grenznahen Sopron auf und war von Kind an zweisprachig. Ihre Liebe zu beiden Sprachen kennzeichnet auch ihre literarische Tätigkeit.

Nach dem Studium der Theaterwissenschaften und Hungariologie widmete sie sich der Übersetzung von Werken aus ihrer ersten Muttersprache in ihre zweite. "Die ungarische Schriftsprache ist das Werk von Dichtern", meint sie "und sie ist von großer Geschmeidigkeit im Ausdruck." Übersetzungen vom Ungarischen ins Deutsche sind eine schwierige Angelegenheit, unterscheiden sich beide Sprachen doch grundsätzlich in ihren Wörtern und ihrer Syntax. Terezia Moras "Ophelia"-Text schafft die Verbindung: Die Präzision und manchmal fast lapidare Kürze des Ungarischen mit dem Tiefgang des Deutschen.

Mit Shakespeare hat dieser Text nichts zu tun: Ihre Geschichte ist stark autobiographisch und berichtet von einem Mädchen in einem ungarischen Dorf. Die Ich-Erzählerin soll schwimmen lernen, doch hinter diesem banalen Vorgang lauert die Realität des Kommunismus.

Mit 19 Jahren verließ Frau Mora diese Welt und ließ sich in Berlin nieder. Zu ihrer Übersetzungstätigkeit kam das Verfassen von Drehbüchern, wozu ein Diplom der Deutschen Film- und Fernsehakademie das Fundament legte. Lange zögerte sie, eigene Texte zu schreiben, entschloß sich erst vor zwei Jahren dazu.

"Natürlich hoffte ich auf einen Preis, denn sonst hätte es wenig Sinn, an einem Wettbewerb teilzunehmen", bekennt die Preisträgerin. Daß es gleich der erste ist, kam doch etwas überraschend. Er wird aber ihr Leben verändern, denn er gibt ihr die Möglichkeit, unabhängig vom Brotberuf ihre nächste Arbeit in Angriff zu nehmen. Ingeborg Bachmann wäre mit Terezia Mora sehr zufrieden gewesen, denn sie verkörpert die "Begeisterung für das weiße, unbeschriebene Blatt", welche die Motivation für jede schriftstellerische Arbeit ist. Noch im Juli wird bei Rowohlt Frau Moras erstes Buch erscheinen. Unter dem Titel "Seltsame Materie" vereinigt es zehn Erzählungen, darunter auch die "Ophelia".

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung