Fasten für das große Fest

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Mehr als die Hälfte des Jahres üben orthodoxe Gläubige Verzicht auf etliche Lebensmittel. Vor Ostern stehen ihnen noch fünf "vegane“ Wochen bevor.

Fleisch, Eier, Milch, Fisch, Öl und Alkohol streichen orthodoxe Christen, die es mit dem Fasten ernst nehmen, in der sogenannten "Großen Fastenzeit“ von ihren Speiseplänen. Nur an Samstagen und Sonntagen gibt es eine kleine Erleichterung - gewissermaßen als Vorschau auf das Ziel des Ganzen, auf Ostern hin: da sind Öl und Alkohol erlaubt. Der Verzicht auf genau diese Lebensmittel, die viel Fett und Eiweiß enthalten, soll "den Menschen sozusagen ‚leichter‘ machen“, vermutet Barbara Larin, Liturgiewissenschafterin an der Universität Wien. Neben der rein physischen "Erleichterung“ soll sich zusätzlich Bereitschaft zum Beten einstellen.

Die sieben Wochen Fastenzeit seien von ihrem Ziel her verständlich, erklärt Larin. Das Osterfest verleihe seiner Vorbereitungszeit erst ihren Sinn und ihre Bedeutung, die Erwartung des wichtigsten Festes im Kirchenjahr stehe in der "Großen Fastenzeit“ im Zentrum. Dieses bilde gleichsam in der Verwirklichung der "Gemeinschaft mit Gott“ die Erfüllung. Larin: "In der Ostkirche muss dem Fest immer Fasten vorausgehen.“

Monastische Prägung

Die Einzelheiten der Fastenregeln, wie sie heute in den verschiedenen Ostkirchen der byzantinischen Tradition üblich sind, belegen liturgische Bücher spätestens aus dem 17. Jahrhundert. Genauso wie das Essen in vielen Religionen eine besondere Stellung einnimmt, hat auch das Nicht-Essen seine Bedeutung. Die stark monastische Prägung des kirchlichen Lebens in der Orthodoxie dürfte laut Larin einer der Gründe dafür sein, dass sich der religiöse Brauch des Fastens bis heute so gehalten hat.

Sich bestimmter Speisen zu enthalten hat im ostkirchlichen religiösen Leben einen hohen Stellenwert. In Supermärkten in Russland gebe es eigens als "fastengerecht“ ausgewiesene Speisen, weiß Larin, die selbst der Russisch-Orthodoxen Auslandskirche angehört. "Man verliert sehr viel, wenn man das Fasten verliert. Es ist ein Teil der Liturgie. Würde man das Fasten aufgeben, ginge der Bezug zur Liturgie und zur Vergangenheit verloren“, erklärt sie. Die "Große Fastenzeit“ wird als "heilige Zeit“ wahrgenommen. Auch ihre Dauer ist von Bedeutung. Larin dazu: "Damit sich auch körperlich etwas ändert, muss man es über eine längere Zeit machen. Dann kann man Ostern auch anders begehen.“

Keine Fastenpolizei

Bei aller Ernsthaftigkeit beim Fasten hat man "Tricks“ entwickelt, um die Zeit der Entsagung etwas ertragbarer zu gestalten - allerdings "innerhalb der vorgegebenen Grenzen“, wie Larin betont. In China-Restaurants beispielsweise würde fastengerecht gekocht werden, Soja-Hamburger würden aber auch nicht gegen die Regeln verstoßen, und an den Wochenenden wäre Pasta Arrabiata sehr beliebt, erzählt Larin.

Auch wenn für jeden Tag im sogenannten "Typikon“ angegeben ist, was (nicht) gegessen werden darf, bleibt Fasten eine Privatsache. "Es gibt keine Fastenpolizei“, die überprüft, ob sich jeder Einzelne an die althergebrachten Regeln hält, stellt Larin klar.

Für die Wochen vor Ostern hat sich in den Kirchen der byzantinischen Tradition eine eigene Liturgie, die "Liturgie der Vorgeweihten Gaben“, entwickelt. Im Vergleich zur Göttlichen Liturgie des restlichen Jahres weist sie einen starken Bußcharakter auf. Statt feierlichem Gesang prägen alttestamentliche Lesungen den Gottesdienst, die Liturgen tragen dunkle Gewänder und bringen damit Trauer und Reue der Fastenzeit zum Ausdruck. Eine Besonderheit bilden die oftmaligen tiefen Verbeugungen während der Liturgie, die - wie das Fasten - ein "Beten mit dem Leib“ sein wollen.

Nicht nur die vorösterliche Zeit ist in der Orthodoxie vom Fasten geprägt. Mehr als die Hälfte des Jahres gilt streng gesehen als Fasttage: In den Wochen vor Weihnachten und dem Fest der Apostel Petrus und Paulus wird mit der Intention sich auf wichtige Feste vorzubereiten ebenso gefastet wie in der Zeit vor dem Fest "Entschlafung der Gottesmutter“ (15. August) und in der "Großen Fastenzeit“. Neben diesen Fastenperioden kennt man noch einzelne Fasttage. Grundsätzlich gelten zusätzlich jeder Mittwoch und Freitag als Fasttage. Bei dieser reichen Anzahl an Tagen der Entbehrung beruhigt Larin: "Fasten schädigt ja nicht die Gesundheit, sondern reinigt vielmehr den Körper. Das Hauptproblem beim Fasten ist nicht physischer Natur, sondern eher ein geistliches.“

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