Faszination einer Karriere

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Ariane Mnouchkines Dramatisierung von Klaus Manns "Mephisto" am Wiener Volkstheater gelungen aufgeführt.

Nicht um die Person Gustaf Gründgens gehe es ihm, hatte Klaus Mann 1936 auf die Zuschreibung "Schlüsselroman" für seinen "Mephisto" geantwortet, sondern um die Schilderung eines Soziotops im Deutschland der Zwischenkriegszeit. Damals war die nationalsozialistische Vernichtungsmaschinerie noch in ihren Anfängen.

Ariane Mnouchkines Dramatisierung nähert sich dennoch den historischen Figuren. In den 13 Jahren nach der Niederschlagung von Hitlers Putschversuch in München 1923 und dem Erscheinen des Buches schildert Mnouchkines Version die keineswegs linear verlaufenden Lebenswege einer Künstlergruppe, deren Namen Theater und Film des letzten Jahrhunderts elementar geprägt haben.

Regisseur Torsten Fischers verfolgt für das Volkstheater die strenge Linie, die schwarzweiße Bühne (Herbert Schäfer) wird zum Hamburger Schauspielhaus, das - Ironie der Geschichte - wie auch das Wiener Volkstheater vom Architektenduo Fellner/Helmer errichtet wurde.

Auf der treppenartigen Tribüne entwickelt sich eine unglaubliche Dynamik, meist ist das gesamte Ensemble auf der Bühne, Autor Sebastian Brückner alias Klaus Mann (Sebastian Herrmann) neben dem thronenden Vater Thomas (Erwin Ebenbauer), Tochter Erika (Katja Bellinghausen) und Nicoletta von Niebuhr alias Pamela Wedekind (Anna Franziska Srna).

In filmschnittartigen Szenenwechseln verfolgt die dichte Inszenierung gleichermaßen realistische wie mystische Stimmungen, die die Dramaturgie des Textes möglich macht. Beklemmende Kabarettszenen, die satirisch die Katastrophe vorwegnehmen, verfremden reale ideologische Auseinandersetzungen.

"Mephisto" ist das bestechende Zeitdokument einer verlorenen Generation und zugleich von zeitloser Aktualität. Fischer erzählt von der Gratwanderung zwischen künstlerischer Inspiration und politischen Idealen, die das exzellent geführte Ensemble kompakt hält. Toni Böhm besticht als Direktor Gottschalk neben der souveränen Nicole Heesters als Myriam Horowitz. Das Team punktet vor allem mit neuen Gesichtern: Tonio Arango ist in einer Doppelrolle Nazi-Intendant und homosexueller Geliebter des von Martin Reinke brillant-manierierten Hendrik Höfgen zu sehen. Reinkes Präsenz vermittelt die Faszination einer nicht fassbaren Karriere. Einstimmiger Applaus für das gesamte Team.

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