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Auch beim WM-Qualifikationsspiel Österreich gegen Schweden ist der Andrang wieder riesengroß. Warum begeistert dieser Ballsport weltweit so viele Menschen?

Die "Jagd nach dem runden Leder“ hat sich landauf, landab auch in Österreich zu einem der populärsten Zeitvertreibe entwickelt. In unserem Heimatland gibt es derzeit laut Österreichischem Fußballbund (ÖFB) mehr als 500.000 gemeldete Spieler und Spielerinnen in mehr als 10.000 Mannschaften. Nimmt man eine "Dunkelziffer“ vom Faktor vier an, so kommt man auf etwa zwei Millionen Fußballer und Fußballerinnen, die gelegentlich oder auch regelmäßig Fußball spielen. Bei einer Einwohnerzahl von 8,5 Millionen Österreichern ist das knapp ein Viertel der Bevölkerung.

Dieter Kürten, der beliebte deutsche Sportjournalist und Fernsehmoderator, hatte in seinem Buch zur Fußball-WM 1974 festgestellt: "Die Leichtathletik ist älter, Boxen blutiger, Skispringen spektakulärer, Eishockey schneller, Hallenhandball vehementer und Eiskunstlauf ästhetischer, doch keine dieser Sportarten reicht an die weltumspannende Popularität des Fußballspiels auch nur annähernd heran; keine löst Emotionsstöße aus, die die Seismographen aller Kontinente gleichzeitig vibrieren lassen wie Fußball.“ Woher aber bezieht diese Ballsportart ihre Faszination und Anziehungskraft?

Massen vor dem Bildschirm

"Das Faszinierende am Fußball sind für mich die Bewegung, der Teamgeist sowie auch ein enormes Potenzial an Kreativität,“ erläutert etwa Roland Wasserfaller, lange Jahre selbst aktiver Spieler in Kärnten und heute Hobbyspieler in Wien. "Und auch die Ausschüttung von Glückshormonen, sowohl wenn man selbst spielt, als auch wenn man zuschaut, sollte man nicht verachten.“

Für den Sportjournalisten Kürten hat die Faszination dieses Ballsports möglicherweise auch damit zu tun, dass die Mächtigen den Fußball nicht so recht in den Griff bekommen. "Auf dem kurz geschorenen Rasen der Hauptkampfbahnen werden noch Wunder bewirkt“, so Kürten: "Die Rangliste hat permanent vorläufigen Charakter und ignoriert souverän Machtverhältnisse, Gesellschaftsordnungen und Pro-Kopf-Einkommen. Dass sich unter diesen Umständen jede fußballtreibende Nation einbilden darf, einmal ganz oben zu stehen, macht die Fußballstadien zu Jahrmärkten und Schutthalden der Illusionen. Von Plätzen dieser Art fühlen sich die Massen eh und je angezogen.“

Apropos Massen: Ende Mai fand im Londoner Wembley-Stadion das Endspiel der europaweit ausgetragenen Champions League zwischen den beiden deutschen Vereinen FC Bayern München und Borussia Dortmund statt. Neben den circa 90.000 Zuschauern, die das Spiel im Stadion live verfolgten - darunter jeweils 25.000 Fußball-Fans aus Bayern und dem Ruhrgebiet (Borussia Dortmund hatte Bestellungen für mehr als 500.000 Karten vorliegen und musste verlosen) - waren weltweit schätzungsweise mehr als 300 Millionen Fußball-Begeisterte per Direkt-Übertragung im Fernsehen zugeschaltet. Auch "Fußball-Österreich“ mit circa einer Million Zuschauer fieberte mit. Und feierte dann auch mit! Denn diesmal gewann der FC Bayern mit dem 20-jährigen österreichischen Nationalspieler David Alaba, dessen Familie in Wien lebt, mit 2:1.

Ein anderes Beispiel aus Österreich: Innerhalb weniger Tage hat der ÖFB für das Länderspiel gegen Schweden, das am 7. Juni im Rahmen der WM-Qualifikation im Wiener Ernst-Happel-Stadion stattfinden wird, alle 46.000 Karten ausverkauft. Der ÖFB hätte hierfür auch weitaus mehr Karten verkaufen können. Und für das darauf folgende WM-Qualifikationsspiel in München beim "großen Bruder“ Deutschland waren die 6800 Karten des österreichischen Gäste-Sektors innerhalb weniger Minuten weg, wobei insgesamt 25.000 Kartenanfragen vorlagen.

Österreichische Erfolge

Österreich hat eine sehr lange Fußball-Tradition. Nach dem Entstehen des modernen Fußballspiels um die Wende zum 20. Jahrhundert zählte die "Alpen-Republik“ - mit den vielen Vereinsgründungen durch englische Studenten wie First Vienna Football Club im Jahr 1894, Sportklub (SK) Rapid im Jahr 1899, oder Red Star Penzing um 1903 - zunächst zu den führenden Fußball-Nationen der Welt.

Anfang der 1930er Jahre schaffte es das österreichische Nationalteam unter Trainer Hugo Meisl und mit der zentralen Spielerfigur des Matthias Sindelar, 14 Spiele unbesiegt zu bleiben und dabei auch übermächtig scheinende Gegner zu besiegen. 1931 etwa schickte Österreichs Elite-Auswahl die damals auf dem Kontinent noch unbesiegten Schotten mit 5:0 nach Hause. Dem folgten Triumphe gegen Deutschland mit 6:0 (in Berlin) und 5:0 (in Wien). Italien, immerhin der spätere Fußball-Weltmeister von 1934, wurde 2:1 besiegt, Ungarn mit 8:1 heimgeschickt. Als man im Dezember 1932 zum Duell der damals besten europäischen Teams an der Londoner Stanford Bridge gegen England antrat und zwar 3:4 verlor, feierten die Zuschauer und die englische Presse die technisch hoch überlegenen Österreicher trotzdem wie einen Sieger: Das so genannte "Scheiberlspiel“ - eine Vorform des derzeit von der spanischen Mannschaft vorgeführten "Tiki taka“ - war der Grund dafür. Rückblickend hält der ÖFB auf seiner Homepage fest, dass Österreich gewissermaßen das Brasilien jener Jahre war: "Was Spielwitz und Technik anbetraf, so gab es keinen besseren Fußball als den österreichischen.“

In den 1950er Jahren stand Österreich international auch weit oben: Bei der WM 1954 in der Schweiz, bei der Deutschland das Endspiel gegen Ungarn, das über ein Jahr lang unbesiegt war, sensationell gewann ("Wunder von Bern“), besiegte Österreich im Spiel um Platz drei den amtierenden Weltmeister Uruguay mit 3:1. Das bedeutete den bisher größten sportlichen Erfolg von Österreich. Seit dieser Zeit gab es allerdings mehr Rück- als Fortschritt. Der 3:2-Sieg Österreichs als "Fußballzwerg“ gegen den dreifachen Weltmeister Deutschland bei der WM 1978 in Argentinien gilt seither als die herausragende Leistung von Österreichs Spitzen-Fußball der jüngeren Vergangenheit - Cordoba!

Aber nun sieht es seit einigen Jahren wieder etwas besser aus. Ein ausgeklügeltes Jugend-Trainingskonzept kombiniert mit vielen Legionären in europäischen Spitzenligen und ein neuer Nationaltrainer namens Marcel Koller aus der Schweiz, der akribisch und fleißig arbeitet, haben dazu geführt, dass derzeit viel frischer Wind in die österreichische Fußball-Szene hineinbläst.

Traumziel WM-Teilnahme

Mittlerweile ist die Nationalmannschaft in der WM-Qualifikation hinter Deutschland vor Schweden und Irland auf Platz zwei vorgerückt. Man hält schon bei vier unbesiegten Wettbewerbsspielen in Folge. Und sollte der Rang zwei über die nächsten Monate gehalten werden, würde das eine große Chance auf die WM-Teilnahme der Nationalmannschaft 2014 in Brasilien bedeuten.

Marcel Koller könnte das schon richten. Und dann gibt es noch den Faktor "G“ - die Gläubigen in der Mannschaft. Laut Ricardo Moniz, dem ehemaligen Trainer von Red Bull Salzburg, gehören dazu David Alaba, Marko Arnautovic und Jakob Jantscher. Moniz meint: "Christen in der Mannschaft sind ein absolutes Plus - sie sind gute Menschen, sorgen für gute Stimmung, geben nie auf und haben Erfolg.“ Und dann haben wir ja noch den bekennenden Sieben-Tage-Adventisten David Alaba, der nach dem Finalsieg des FC Bayern sein T-Shirt mit dem Schriftzug zeigte: "Meine Kraft liegt in Jesus“. David - dieser Name verpflichtet nicht erst seit dem Alten Testament, als der spätere König David, damals noch der Waffenträger von König Saul, Goliath besiegte.

Der Autor ist langjähriger Sportjournalist und Buchautor

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