Faust (Margarete) wirkungsvoll instrumentiert

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Der Faust-Stoff ist zum Puppenspiel verkommen: Als 1808 der Tragödie erster Teil von Goethe erscheint, kommt in Paris Gérard de Nerval zur Welt, der 19 Jahre später Faust I "frisch, neu und geistreich", wie Goethe sagt, ins Französische übersetzt. Michel Carré zimmert daraus ein Boulevardstück. Daraus wieder bastelt Jules Barbier unter Beimischung von Nerval-Szenen einen Opernstoff, und Carré macht mit. Auch so entsteht ein Libretto. Für die deutschsprachigen Aufführungen wird dieses Libretto übersetzt. Germanisten raufen sich die Haare. "Faust" heißt die Oper auf französisch, "Margarete" auf deutsch. Die Titelmischung sucht zu vermitteln.

Charles Gounod aber hat in wirkungsvoller Instrumentierung, romantischer Melodik, großen Tableaus und intimer Lyrik eine grand opéra daraus gemacht. Am Tiroler Landestheater läuft eine Neuinszenierung. Faust ruft, über seinen Sehnsüchten verzweifelnd, den Satan an. Der Teufel holt ihn raus aus dem alten Körper und dem Studierzimmer aus strengem Gitterraster samt einer Treppe, die im Nichts endet. Ein intellektuell konstruiertes Gefängnis, das am Ende zu Margaretes Kerker aus Schuld und religiöser Gewissenspein wird. In intuitiver Abwehr gegen Mephistopheles verweigert sie ihre Befreiung und verteidigt in einer sich dramatisch hochschraubenden Sequenz ihren Glauben gegen das Böse. Gerettet schreitet ihr Geist dem Licht entgegen.

Spektakuläres Stabpuppenspiel

Den beiden Rand-Akten in ihrer klugen Abstraktion durch Thomas Dörfler stehen die übrigen, weniger gelungenen Bilder entgegen, die teils den Chormassen zu wenig Raum geben und der in die Kirche verlegten Gartenszene Zauber, Sinn und Logik nehmen. Regisseur Urs Häberli stellt die Protagonisten hauptsächlich an die Rampe. Gelungen freilich das Zitat des faustischen Puppenspiels in einer Jahrmarktsbude. Daraus entwickelt sich in der Walpurgisnacht ein spektakuläres Stabpuppenspiel, in dem Faust und Margarete überlebensgroß ihre Geschichte nachleben, während ihre Gesichter zu Totenmasken werden.

Der junge Dirigent Clemens Schuldt erreicht, abgesehen von anfänglichen Koordinationsproblemen mit der Bühne bei der Premiere, die Stil-und Stimmungswechsel sehr beachtlich mit dem Tiroler Symphonieorchester Innsbruck. Mehr als rollendeckend die Besetzung, allen voran Hege Gustava Tjønn als Margarete, blondbezopft und in reines Weiß gekleidet. Nach dem Sündenfall aber ist ihr Mieder mit einem roten Band geschnürt: Mephistopheles hinterlässt eine Farbspur, wo seine Macht greift (Kostüme: Ursula Beutler). Tjønns stimmlichem Charme und dramatischen Finale steht Eric Laportes wohlklingender Tenor als Faust zur Seite. Shavleg Armasi ist mit jungem Bass ein kecker, sich seiner Beute gewisser Seelenfänger, Daniel Raschinsky der brave Valentin, sehr gut die kleinen Partien und der Chor.

Faust (Margarete) Tiroler Landestheater -15., 17., 23., 28., 31. Mai

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