Feiertage und Meilensteine für die ÖKUMENE

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50 Jahre "Pro Oriente": Der Ökumenische Patriarch Bartholomaios kommt dieser Tage nach Wien und erwartet Ende November den Papst in Istanbul.

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50 Jahre "Pro Oriente": Der Ökumenische Patriarch Bartholomaios kommt dieser Tage nach Wien und erwartet Ende November den Papst in Istanbul.

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Mit Freude folge er der Einladung zum 50-Jahre-Jubiläum der Stiftung "Pro Oriente", betonte der Ökumenische Patriarch, das Ehrenoberhaupt der Weltorthodoxie, im Gespräch mit österreichischen Journalisten im Phanar, seinem Amtssitz in Istanbul. Er würdigte den Beitrag der Stiftung zu Aussöhnung und Dialog zwischen Orthodoxen und Katholiken.

Bartholomaios wird in Österreich ein dichtes Programm absolvieren. Höhepunkt der Pro-Oriente-Feiern ist am 8. November ein Ökumenischer Gottesdienst in der Schottenbasilika und ein Festakt in der Universität Wien, wo er ebenso das Wort ergreifen wird wie auch Kopten-Papst Tawadros II., der Präsident des Päpstlichen Einheitrates, Kardinal Kurt Koch, sowie Kardinal Christoph Schönborn.

Ausdrücklich verwies Bartholomaios auf seinen Besuch im Burgenland. Im Eisenstädter Dom wird er am St. Martins-Tag den burgenländischen Landesfeiertag mitfeiern. Für ihn sei das Betreten pannonischen Bodens mit einem Herzensanliegen verbunden: Denn in St. Andrä am Zicksee stellte die Diözese ein Grundstück für ein orthodoxes Kloster - das erste in Österreich - zur Verfügung.

Freundschaft der Kirchenführer

Die "persönliche Freundschaft" zu Papst Franziskus, dessen Amtseinführung er in Rom beiwohnte und den er im Mai dieses Jahres in Jerusalem traf, wertet Bartholomaios als "hilfreich" für den ökumenischen Dialog. "Fortschritte bedeuten nicht, dass die Einheit der Christen morgen Realität wird." Die Kirchenspaltung 1054 hinterließ einen tiefen Riss, doch in den letzten 50 Jahren kam ein Annäherungsprozess in Gang. Mit der Bewältigung der Frage um den Primat des Bischofs von Rom wäre viel getan, so der Patriarch, der auch "innerorthodoxe Schwierigkeiten" einräumt. Doch er vertraue darauf, "dass der Tag für die volle Einheit der Christen kommen wird".

Franz Kangler, Lazaristen-Superior und langjähriger Direktor des St-Georgs-Kollegs in Istanbul, vertritt die Ansicht, die Freundschaft der Kirchenoberhäupter könne zur Stärkung der Position des Patriarchen beitragen. Papst Franziskus ist als Staatsoberhaupt in Ankara durch einen Nuntius vertreten. Patriarch Bartholomaios wurde das Attribut "ökumenisch" seitens der Türkei lange als quasiextraterritorial verwehrt.

Der Besuch des Papstes in der Türkei Ende November ist denn auch höchst willkommen. Franziskus wird zunächst in Ankara von der türkischen Staatsspitze und dem Chef des Religionsamtes Diyanet empfangen. In Istanbul feiert er mit den Katholiken einen Gottesdienst und nimmt im Phanar am orthodoxen Andreas-Fest teil. Auch Besuche in der Hagia Sophia und der Blauen Moschee stehen auf dem Programm.

Am Patriarchensitz wird ein zweites Großereignis vorbereitet: die Panorthodoxe Synode der in sich unabhängigen orthodoxen Kirchen, die im Juni 2015 stattfinden soll. Der Phanar bemüht sich um die Erlaubnis, die Versammlung in der ehemaligen byzantinischen Irenen-Kirche abzuhalten. Eine Botschaft für Frieden und religiöse Rechte soll laut Bartholomaios signalisieren: "Die orthodoxe Kirche besteht nicht nur aus Tradition, sondern ist eine lebendige Kirche. Auch in jenen Teilen der Welt, wo sie eine kleine Minderheit ist, wie in arabischen Staaten und in der Türkei."

Sorge über Christen in Nahost

Tiefe Trauer über das Los der Christen im Nahen Osten erfüllt die Religionsführer in Istanbul, wo die Flüchtlingswelle aus Syrien und dem Irak hereingeschwappt ist. Der syrisch-orthodoxe Patriarchalvikar Filiksinos Yusuf Cetin befürchtet "das Ende des Christentums" in der Region, den Verlust von "Glauben, Kultur, Geschichte und aramäischer Sprache. Wir sind unheimlich traurig. Unsere Kirchen werden zerstört, unsere Gläubigen müssen das Land verlassen."

Die Hilfsaktionen der Christen in Istanbul für die Flüchtlinge sind ein Beispiel für gelebte Ökumene. "Wir helfen allen Christen", betont Cetin. "Keiner wird weggeschickt. Wir sind eine große Familie." Gerechnet wird mit dem Kommen von 500 christlichen Familien aus Syrien, die nicht in den Lagern Anatoliens bleiben wollen. Aus dem Irak halten sich hunderte Christen-Familien in türkischen Städten auf. Ein Komitee der Kirche kümmere sich um Flüchtlinge, die auf Flughäfen Schwierigkeiten haben.

Nach der Schilderung des armenischen Patriarchalvikars Aram Atesyan versuchen die meisten armenischen Nahost-Flüchtlinge, sich nach Istanbul zu ihrer Gemeinde durchzuschlagen. "Muslime töten einander, und die Christen werden zu Opfern", sagt der Erzbischof bitter. Auch die Protestanten sind in die Flüchtlingsarbeit eingebunden. Cetin wie Atesyan heben den Friedensdialog zwischen den Konfessionen hervor. Sie hoffen auf ein Nahost-Friedenssignal des Papstes.

Ökumene wird in Istanbul auch im Alltag gelebt. Im Vertrag von Lausanne sind nur drei Minderheiten (Armenier, Griechisch-Orthodoxe und Juden) definiert, die anderen religiösen Gruppen sind staatsrechtlich noch weniger abgesichert. Man hilft einander: So können die syrisch-orthodoxen Christen, die nur eine einzige Kirche besitzen, obwohl sie nach den Armeniern die zahlenmäßig größte Gemeinde bilden, griechisch-orthodoxe und lateinische Gotteshäuser benützen.

Weiter Kampf um Rechtsstatus

Das Verhältnis des Staates zu den christlichen Minderheiten sei unter der AKP-Regierung gleich geblieben oder habe sich etwas verbessert, so der Tenor der Kirchenführer. Bartholomaios führt ins Treffen, dass Schritte zur Sicherung der Patriarchen-Nachfolge gesetzt wurden; doch das Priesterseminar auf der Insel Heybeli (Chalki) bleibt geschlossen. Bemühungen um Besitzrückgabe, um mehr Schulen laufen.

Louis Pelâtre, katholischer Bischof von Istanbul, meint, die herrschende Toleranz sei "eine Gnade, kein Recht". Erzbischof Atesyan sagt es so: "Sie respektieren uns, doch viele Rechte haben wir nicht." Patriarch Bartholomaios vermerkt Schritte in Richtung Religionsfreiheit. Beim Pro-Oriente-Jubiläum in Wien wird er den Überlebenskampf der Christen in der Türkei erläutern, die dort tief verwurzelt sind -wenngleich sie auf ein Prozent der muslimischen Mehrheitsbevölkerung geschrumpft sind.

BUCHTIPP:

Denkwerkstatt Pro Oriente

Erfolgsgeschichte eines Ost-West-Dialogs (1964-2014)

Hg. Johann Marte, Rudolf Prokschi. Tyrolia 2014,496 Seiten, kt., € 29,-

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