Felicitas Hoppe: Es bleibt ein Rest Sehnsucht
Büchner-Preisträgerin Felicitas Hoppe über Literatur in "postfaktischen" Zeiten, menschliche Wunschkraft und Diskretion beim Schreiben.
Büchner-Preisträgerin Felicitas Hoppe über Literatur in "postfaktischen" Zeiten, menschliche Wunschkraft und Diskretion beim Schreiben.
Für ihr in der deutschsprachigen Literatur einzigartiges Werk wurde Felicitas Hoppe 2012 der Georg-Büchner-Preis zugesprochen. Am 16. Jänner wird die dezidierte Liebhaberin von Märchen in der Österreichischen Gesellschaft für Literatur in Wien über ihre Werke sprechen und aus ihnen lesen. Die FURCHE sprach vorab mit ihr.
DIE FURCHE: Wir leben in postfaktischen Zeiten, sagt man. Einer Ihrer Sätze, der Ihre Poetik recht gut umreißt, lautet: "Ich war nicht dabei, aber ich weiß es genau." Ist das nicht auch ziemlich postfaktisch?
Felicitas Hoppe: Das klingt tatsächlich postfaktisch -aber dieser Satz ist natürlich ironisch. Er verweist auf die Eigenkraft der Literatur, auf die Möglichkeit der Einbildungskraft, darauf, dass es eine Instanz gibt, die sich intuitiv in etwas hineinimaginieren kann und damit womöglich einen höheren Wahrheitsgehalt erreicht als das Faktum, das Faktische. Das ist allerdings ein Privileg des literarischen Verfahrens und sollte nicht mit Journalismus verwechselt werden. Ich habe Schwierigkeiten mit dem Begriff des Postfaktischen, weil er die Grenze zwischen Kunst und Literatur und dem sogenannten "wirklichen Leben" abschaffen will; das birgt durchaus Gefahren. Wenn Sie mich ernsthaft nach meiner historischen Auffassung fragen, sage ich: Es gibt überhaupt keine postfaktischen Zeiten, das ist ein Modewort wie viele andere. Sollten wir wirklich in einem postfaktischen Zeitalter leben, wäre das ja zugleich eigentlich auch das Ende der Kunst. Und das fühlt sich nicht so richtig gut an für jemanden, der ein Künstler ist. Die Kunst bewirtschaftet aus meiner Sicht einen Sonderbereich, der mit Politik, mit Informationspflicht, mit Berichterstattung (mit den Fakten) nichts zu tun hat. Es ist ein genuin anderer Raum, eine andere Art der Wahrnehmung, was nicht heißt, dass sie mit der Wirklichkeit keine Schnittmengen bildet.
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