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Das Mumok präsentiert seine Arbeiten von Joseph Beuys.

Im Jahr 1943 teilt ein deutscher Sturzkampfflieger über der Halbinsel Krim das Schicksal vieler seiner Kollegen: er stürzt ab und erleidet schwerste Verletzungen. Tartaren finden ihn und pflegen ihn wieder gesund, indem sie ihn in Fett und Filz einwickeln. War das so? Auf jeden Fall war es die Geburtsstunde eines Mythos. Eines Mythos, der Lebenslauf und Werkverlauf eines Menschen und Künstlers wie bei kaum einem zweiten seiner Generation zu einem Gesamtprozess verschmelzen ließ. Der Name des Sturzkampffliegers war Joseph Beuys, den man heutzutage zu den ganz großen Künstlern des 20. Jahrhunderts zählt.

"Soziale Plastik", ...

Zwanzig Jahre nach seinem Tod präsentiert das MUMOK nun seine Bestände an Arbeiten von Joseph Beuys und taucht damit unmittelbar in die Spannung der zwei Lungenflügel von dessen Oeuvre ein. Denn die Imageagenturen haben über die Jahre hinweg als Markenzeichen von Beuys neben seinem charismatischen Auftreten fast ausschließlich die Aktionskunst und sein Konzept der "sozialen Plastik" in den Mittelpunkt gestellt.

Vielfach übersehen wurde dabei, dass Beuys alle Aktionen und alle diskursiven Entwürfe mit Zeichnungen begleitet hat. Und zwar mit Zeichnungen, die weder bloße Notizzettel noch Drehbücher darstellen, sondern die als eigenständige Werkschiene in den diesem Medium eigenen Möglichkeiten immer auch den ganzen Beuys beinhalten.

... Zeichnung ...

Ein Spannungsbogen zwischen dem Beuys der Aktion und der Zusammenarbeit mit den Menschen seiner "sozialen Plastik" sowie dem grafischen Werk bleibt dabei durchaus erhalten. So notiert er einmal, dass er selbst dann zeichne, wenn er seinen Namen schreibe, und wenig später erklärt er die Zeichnung zum hehren Oberbegriff: "Im Grunde nenne ich die farbigen Sachen ja nicht Aquarell oder so. Erstmal nenne ich alles Zeichnung. Ob das nun in Ölfarbe ist oder Beize. Im Grunde ist also alles Zeichnung."

Diese Zeichnung durchlebt eine Entwicklung, nach der physischen und psychischen Krise der Jahre 1956/57, die Beuys später als eine Zeit der Reinigung und des Absterbens von Unwesentlichem interpretierte, verändert sich die Zeichnung von einem Zeichen von etwas zu einem Zeichen für etwas, für eine neue Welt. Für einen Umgang mit der Realität, für eine Begegnung mit ihr, die unfruchtbare Einseitigkeiten aufbrechen will. "Zeichnungen sind eine andere Form der Sprache und an der Stelle der Erweiterung des Sprachbereichs ist der Grundimpuls für das Zeichen zu suchen. Ich versuche so über die Usurpation von Sprache durch Kulturentwicklung und Rationalität hinauszukommen", verkündete Beuys. In der Nachfolge von Rudolf Steiner, dem er zweifelsohne wichtige Impulse für sein Schaffen verdankt, behandelt Beuys äußere und innere sinnliche Erfahrung gleichwertig und versucht als der letzte große Romantiker, diese Weltsicht in eine Erkenntnistheorie einzubetten.

... und Aktion

Die immense Wichtigkeit der Zeichnung wird von Beuys aber wieder völlig zurückgenommen, wenn er in ihr bloß ein Werkzeug sieht, von dem man sich abwendet, wenn man den Sinn verstanden hat. Das ist dann jener Beuys, der in seinen Aktionen, bei denen nicht zufällig Fett und Filz eine wichtige Rolle spielen, nicht mehr aufschreibbare Erfahrungen für die Menschen erzeugt. Für jene Rezipienten, die zum Gelingen der Aktionen aber ihre eigene Kreativität ins Spiel bringen müssen, weil nicht nur die Kunst, sondern die Gesellschaft insgesamt nur als "soziale Plastik" funktioniert. Es gibt nicht hier die großen Schöpfer und dort die leeren Behälter, die alles aufnehmen; Beuys fasst künstlerische Prozesse, die ihm als Prototyp für alle gesellschaftlichen Handlungen erscheinen, als ein Zusammenwirken aller Beteiligten. "Jeder Mensch ist ein Künstler" - und wäre das nicht so, gäbe es weder die Kunst noch die Gesellschaft.

Joseph Beuys

Aus der Sammlung des MUMOK

Museum Moderner Kunst

Museumsplatz 1, 1070 Wien

Bis 29. 10. Di- So 10-18, Do 10-21 Uhr

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