Film wie Kreislauf des Lebens

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"Ewige Jugend": Nach seinem Oscar-Erfolg "La Grande Bellezza" schreibt Paolo Sorrentino die Geschichte des Lebens weiter -und kommt in einem Kurhotel in den Schweizer Alpen an.

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"Ewige Jugend": Nach seinem Oscar-Erfolg "La Grande Bellezza" schreibt Paolo Sorrentino die Geschichte des Lebens weiter -und kommt in einem Kurhotel in den Schweizer Alpen an.

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Tatsächlich: Fred Bellinger (Michael Caine) hat schon einmal mehr gelacht. In Paolo Sorrentinos neuem Film "Ewige Jugend" attestiert ihm seine Tochter (Rachel Weisz) Apathie, als sie ihren alten Vater im Kurhotel in den Schweizer Bergen besucht. Dort will er zwischen Massagen und am Pool-Liegen (Szenen, die Sorrentino vor allem in zentriert komponierten und durch einen Klassik-Score aufgeladenen Tableaus einfängt) gegen den gnadenlosen geistigen und körperlichen Verfall antreten. Zur Seite steht ihm sein ebenfalls welkender Kumpel Mick (Harvey Keitel), ein immer noch aktiver Regisseur, der mit seinem Team eingecheckt hat, um für seinen aktuellen Film allabendlich eine Sterbensbett-Dialogszene zu entwickeln. Bellinger selbst, einst ein berühmter Dirigent, der seinen Ruhm dem "Simple Song" zu verdanken hat, soll nun "ein letztes Mal vor der Queen noch einmal aufführen, aber das schiebt er hinaus, so lange er kann.

Sorrentino, der zuletzt mit seinem Oscarprämierten "La grande bellezza" über die Themen Schönheit, Jugend und Verfall und die Selbstaushöhlung der (italienischen) Gesellschaft einen Zeitgeist-Nerv getroffen hatte, bewegt sich hier auf ähnlichem Terrain, zwischen lakonischer Komödie und stilisiertem Drama, mit deutlichem Hang zu Popmontagen. Ein wenig wirkt das wie Reste-Verwertung: Leben wie Film zirkulieren manchmal eben doch im selben Kreislauf.

DIE FURCHE: Signor Sorrentino, ich bin noch nicht 40 Jahre alt, aber das Thema Älterwerden, auch wie Sie es in "Ewige Jugend" behandeln, beschäftigt mich.

Paolo Sorrentino: Das mag daran liegen, dass man zwar immer trennen will zwischen Alt und Jung, zwischen Kind und Erwachsenem, dass aber die Ängste und Sorgen, die wir haben, im Prinzip immer die gleichen sind: Verlust-und Versagensängste, Sinnsuche DIE FURCHE: die Angst vor dem Tod

Sorrentino: ja, aber viel mehr noch ist es, denke ich, ein anderes Gefühl, das auch da ist, wenn es uns gut geht, wenn man glücklich ist und eigentlich ein gutes Leben führt: Ein Gefühl der Erschöpfung, der Müdigkeit, das latent immer da ist. Man überdeckt das unbewusst vielleicht gut und glaubwürdig, aber es wohnt in jedem.

DIE FURCHE: Eine Botschaft des Films lässt sich nicht so leicht festmachen.

Sorrentino: Ein Film ist eine komplexe und intime Angelegenheit -für den Regisseur und den Zuseher - und er lässt sich tatsächlich nicht auf eine Botschaft reduzieren. Die schönsten und wichtigsten Momente in einem Film -wie übrigens auch im Leben -sind für mich immer jene, die überhaupt frei von jeder Didaktik sind; jene, in denen auf den ersten Blick gar keine Bedeutung zu liegen scheint. Das sind im Endeffekt die Erinnerungen, die bleiben. Ich sehe diesen Film also als eine Einladung zum Reflektieren: darüber, dass Jugend ja viel mehr eine Geisteshaltung ist als ein biologischer Maßstab, denn die Überzeugung, alle Möglichkeiten zu haben, das ist es, was Jungsein meint.

DIE FURCHE: Diego Maradona spielte auch in "La Grande Bellezza" mit; hier hat er wieder einen Gastauftritt. Was gefällt Ihnen an ihm?

Sorrentino: Ich schätze ihn sehr als Künstler. Er war außerdem selbst oft schon an Orten wie diesem Spa im Film, um Gewicht zu verlieren oder für gesundheitliche Checkups. Vor allem aber interessiert mich an ihm die Zukunft. Dieser Film ist ein Film über Zukunft, und ich finde es interessant, was eine wichtige Vergangenheit, wie Maradona sie zum Beispiel hat, für die Zukunft bedeuten kann, oder eben nicht bedeuten kann, und wie man damit umgeht.

DIE FURCHE: Ist Harvey Keitel als Filmregisseur in Ihrem Film etwas wie Ihr Alter Ego?

Sorrentino: Seine Figur wird von Leidenschaft in ihrer reinsten Form bestimmt. Er ist ein Regisseur, für den jeder Film eine Angelegenheit zwischen Leben und Tod wird. Ein Film kann zu einer echten Obsession werden. Ich persönlich neige dazu, wie Keitel zu sein, aber ich versuche, mehr wie Caine zu werden, im realen Leben.

Ewige Jugend (Youth) I/F/CH/GB 2015. Regie: Paolo Sorrentino. Mit Michael Caine, Harvey Keitel, Rachel Weisz, Paul Dano, Jane Fonda. Filmladen. 118 Min.

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