saint omer

Alice Diop: „Filme über die tiefsten Wunden“

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Die französische Regisseurin Alice Diop über ihren Spielfilmerstling „Saint Omer“ und ihren Anspruch, politische Filme zu drehen.

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Die französische Regisseurin Alice Diop über ihren Spielfilmerstling „Saint Omer“ und ihren Anspruch, politische Filme zu drehen.

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Die französische Dokumentarfilmerin Alice Diop hat mit „Saint Omer“ ihren ersten Spielfilm vorgelegt. Sie bleibt dabei ihrem naturalistischen, schnörkellosen Stil ihrer sonstigen Arbeiten treu, erzählt aber hochemotional: In Frankreich steht eine Afrikanerin vor Gericht, weil sie ihr Kleinkind am Strand nahe dem Wasser sich selbst überlassen hat und das Kind ertrunken ist, als die Flut einsetzte.

Der Prozess nimmt einen großen Teil dieses Dramas ein, Alice Diop hat ihn einem realen Fall nachempfunden, der Frankreich 2013 erschüttert hatte und dem die Regisseurin damals beiwohnte. Durch ihre Augen, respektive durch die Augen einer schwarzen Zuschauerin im Gerichtssaal, rollt Diop nüchtern die Fakten auf und generiert damit große Spannung. „Saint Omer“ zählte zu den besten Filmen der vergangenen Filmfestspiele von Venedig und gewann dort den Großen Preis der Jury.

DIE FURCHE: Ihr Film wurde vielfach ausgezeichnet. Wie politisch ist der Stoff in Ihren Augen?

Alice Diop: Ich bin ein durch und durch politischer Mensch. Ich war viele Jahre diesbezüglich als Aktivistin tätig, und heute möchte ich meine Energie in das stecken, was ich zu sagen habe, und das ist politisch. Ich möchte mich auf meine Filme konzentrieren. Ich habe das Gefühl, dass ich immer derselbe Mensch war. Ich habe immer das getan, was ich tue, und ich will das nun in meinen Filmen weiterentwickeln. Ich habe mich dafür entschieden, dass meine politische Arbeit und meine Gedanken in meinen Filmen beantwortet werden.

DIE FURCHE: „Saint Omer“ ist ein eindringlicher Film, es geht um Mutterschaft und um die Schwierigkeiten, als schwarze Frau Akzeptanz zu finden. Wo waren Sie gedanklich, als Sie alle Elemente zusammenbrachten, um diese Geschichte zu schaffen?

Diop: Der Film war für mich mit einem enormen emotionalen Aufwand verbunden, aber ich fand Freude an dem, was mich während der Dreharbeiten leidenschaftlich berührte. Es war eine Gelegenheit, ein Porträt einer schwarzen Frau in ihrer ganzen Komplexität zu schaffen, wie ich es selten im Film gesehen oder in der Literatur gelesen habe, was ich sehr vermisse. Ich habe diesen Film nicht gemacht, um mich mit dem Thema Kindermord zu beschäftigen. Es ging mir darum, diese starken Figuren zu schaffen, die sich den Vorstellungen widersetzen, die die Menschen haben, wenn sie schwarze Frauen auf der Leinwand sehen.

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