"Apocalypse Now": Kritik der Apokalypse
Francis Ford Coppolas „Apocalypse Now“ aus 1979 wird im Licht der aktuellen Lage aufs Neue hochbrisant. Relecture eines Films und seiner (Bilder-)Sprache.
Francis Ford Coppolas „Apocalypse Now“ aus 1979 wird im Licht der aktuellen Lage aufs Neue hochbrisant. Relecture eines Films und seiner (Bilder-)Sprache.
Nicht erst seit Ausbruch der Pandemie verliert sich die Öffentlichkeit in Endzeitstimmung. Zuvor bemühte die Klimabewegung den Bilderschatz der jüdisch-christlich tradierten Apokalypse. Denn das darin ausgemalte Strafgericht stellt suggestive Bilder bereit, mit denen sich das zeitgenössische Krisenbewusstsein in Worte kleiden lässt. So jedenfalls kann es nicht weitergehen, lautet die drohende Botschaft an eine saturierte Gesellschaft. „Schlagbilder“ nannte der Kunsthistoriker Michael Diers solche Bilder. Wie ein Dolch dringen sie mühelos durch weiches Gewebe, verletzen es aber gewaltig.
In der antiken Rhetorik dienten sie dazu, etwas „Gemeines, Niederträchtiges, Ungewöhnliches“ in eine „möglichst lange im Gedächtnis“ bleibende Bildformel zu gießen. Und wie jeder von sich selbst weiß, „außerordentliche Schönheit oder einzigartige Hässlichkeit“ ziehen uns in ihren Bann. Darum bildet die Apokalypse ein ergiebiges Reservoir, aus dem gerade die Populärkultur ihre Metaphern schöpft. Gegenwärtig beliebt ist die „Phantasie von der Erde nach dem Menschen“, der die Literaturwissenschaftlerin Eva Horn die empfehlenswerte Studie „Zukunft als Katastrophe“ widmet.
Realität hat Fiktion eingeholt
Auch wenn inzwischen die Realität die Fiktion eingeholt hat: Es ist sinnvoll, apokalyptische Schlagbilder zu prüfen, da sie auf öffentliche Meinung und politisches Handeln Einfluss nehmen, sie sind nützlich bei dessen Rechtfertigung, und man kann mit ihnen Geschichte interpretieren.
Derzeit ist viel die Rede vom Krieg gegen das Virus, Queen Elizabeth verwies in ihrer jüngsten Ansprache auf den britischen Durchhaltewillen im Zweiten Weltkrieg, Donald Trump führte das Wort einer „militärischen Operation“ im Mund, der Kopf des amerikanischen Gesundheitsdienstes Jerome Adams erkannte sogar einen „Pearl-Harbor-Moment“. So kommt auch die Triage, nach der Ärzte entscheiden müssen, wen sie beatmen werden, aus dem militärischen Sanitätswesen.
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