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DER FILM IM FERNSEHEN

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Der Spielfilm, den Sie jetzt sehen werden, wurde uns nur in einer Breitwandkopie zur Verfügung gestellt, auf Ihrem Bildschirm tritt daher oben und unten ein schwarzer Rand auf; wir bitten um Verständnis — Den Spielfilm, den wir Ihnen nun senden wollten, können wir nicht ausstrahlen, da die Kopie zu spät eingetroffen ist — Der angekündigte Spielfilm wird zu einem späteren Zeitpunkt gesendet, wir bringen Ihnen heute..., da die eingelangte Kopie technisch nicht den Anforderungen entspricht; wir bitten um Ihr Verständnis! Diese und ähnliche Worte hört man immer wieder im österreichischen Fernsehen, von einer Sprecherin wiedergegeben, die selbst nicht das geringste dafür kann, daß die Programmgewaltigen das von ihnen angekündigte Programm nicht einhalten können.

Es gibt viele Gründe, warum ein angekündigtes Filmprogramm nicht eingehalten werden kann, aber es gibt keinen Grund dafür, wegen der Programmänderung nicht um Entschuldigung zu bitten, sondern lediglich um Verständnis zu ersuchen.

Wir wollen uns an dieser Stelle und in diesem Zusammenhang auch gar nicht ausführlich damit befassen, daß es dem österreichischen Fernsehen bisher unmöglich war, in der Programmvorankündigung in der Tagespresse oder sogar in der Programmankündigung zu Sendeschluß des vorhergehenden Tages die Laufzeit eines Films anzugeben. Es gibt für Filmprodukte aller Art, ob Kurz-, Dokumentär- oder Spielfilm, ob Schmalfilm, Normalfilm oder Breitwandfilm, sehr genaue Tabellen über die Länge und Laufzeit. Das Nichtübereinstimmen zwischen Laufzeit und Programmankündigung kann einfach nur als Schlamperei bezeichnet werden; um es technisch auszudrücken: selbst mit einem Maßband kann man Filmrollen messen, ohne sie vorher angesehen und ihre Laufzeit gestoppt zu haben. Warum also ein Film mit einer Laufzeit von 70 Minuten angekündigt wird und in Wirklichkeit 85 Minuten dauert, bleibt ein Geheimnis des österreichischen Fernsehens.

Um weiter bei der Technik zu verbleiben. Das Ersuchen um Verständnis für die schwarzen Balken oben und unten vom Bild klingt so, als wüßte man dies vorher nicht und hätte beispielsweise eine Breitwandkopie erst in letzter Minute erhalten. Nun zahlt aber das österreichische Fernsehen für einen Film nicht so wenig, daß es nicht verlangen könnte, von dem einen oder anderen Streifen eine Schmalfilmkopie zu erhalten. Der Unterschied ist nämlich sehr eklatant. Ein 35 Millimeterfilm wird im Normalformat in der Größe 1:1,37 wiedergegeben. Ein Normalfilm, auf Breitwand gedreht„hat das Größenverhältnis 1:1,85. Ein 16 Milli-metersohmalfilm, gleichgültig von welchem Negativ gezogen, hat das Größenverhältnis 1:1,38. Das bedeutet, daß von jedem Film eine wesentlich leichter abtastbare Schmalfilmkopie dem Bildschirm besser entspricht. Man müßte also den Einkäufern von Filmen für das Fernsehen den berechtigten Vorwurf machen, daß sie mit der Technik nicht auf vertrautem Fuß stehen.

Man muß zwar all diese Versager dem Fernsehen anlasten, darf allerdings nicht übersehen, daß es den Filmeinkäufern beim Fernsehen in aller Welt sehr schwer fällt, überhaupt Filme für ihr Programm zu bekommen. Die Gründe dafür sind vielfältiger Natur. Prinzipiell besteht im europäischen Raum und hier insbesondere im deutschsprachigen Gebiet die Übereinkunft, daß Spielfilme an das Fernsehen erst viele Jahre nach ihrer Uraufführung im Lichtspieltheater abgegeben werden. Die Filmindustrie will sich auf diese Art sichern. Man denkt an die Auswertung der Spielfilme im Lichtspieltheater und glaubt, durch Verkaufssperren der Konkurrenz etwas antun zu können. Der Standpunkt ist in mancher Hinsicht falsch, doch darauf kommen wir noch zurück. Die Filmindustrie sperrt normalerweise in Europa die Filmabgabe an das Fernsehen zwischen fünf und acht Jahren. Dieser Standpunkt ist als unrealistisch zu betrachten. Ist ein Spielfilm im Lichtspieltheater nämlich ein großer Publikumserfolg, dann wird er sowieso nicht an an das Fernsehen abgegeben, weil die Filmindustrie einen Wiedereinsatz des jeweiligen Films in den Lichtspieltheatern von Haus aus plant. Ist aber ein Film kein Publikumserfolg in den Lichtspieltheatern, dann darf man ruhig annehmen, daß er innerhalb von zwei bis zweieinhalb Jahren durch die Kinos durchgepeitscht ist und nicht die geringste Chance für einen Wiedereinsatz hat, also sofort an das Fernsehen verkauft werden könnte.

Aus Amerika erreicht uns die Nachricht, daß es im Sommer 1961 noch 2200 Spielfilme gab, die auf ihre Auswertung bei den Fernsehsendern warteten; im Jahre 1963 waren es nur noch 1500 Filme und im Jahre 1964 1000. Von diesen eintausend Filmen sind rund 700 als völlig ungeeignet für das breite Fernsehpublikum abzulehnen. Und so steht das amerikanische Fernsehen heute vor der Tatsache, daß die Programmfüller nicht mehr von der Spielfilmseite her geliefert werden können. In Europa ist die Situation noch nicht so kritisch und beim österreichischen Fernsehen ganz besonders nicht. Man hat beispielsweise hierzulande noch lange nicht die Heimatfilme voll ausgewertet. Allerdings ist hiezu zu sagen, daß die sogenannten Totalaufnahmen, also mit schönen Bergen im Hintergrund, Tälern im Vordergrund und so weiter im Fernsehen einfach nicht ankommen können, weil die Wiedergabe auf dem kleinen Bildschirm keineswegs jenen Bildeindruck vermitteln kann wie die große Leinwand im Lichtspieltheater. Darüber hinaus steht hier natürlich sofort die Frage der Farbe zur Debatte.

Man kann heute noch nicht sagen, auf welches Farbfern-sehsystem man sich in aller Welt einigt. Bei dem Streit, ob für das deutche PAL, für das französische SECAM oder das amerikanische ATSC haben die Fernsehtechniker eines nicht überlegt. Sie haben dabei nicht gedacht an die verschiedenen Systeme der Farbfilmherstellung, wie etwa Technicolor, Eastmancolor, Agfacolor, Ferraniacolor usw. Das Farbfernsehen wird in den ersten Jahren seines Bestehens ja vornehmlich von Konserven leben müssen, das heißt, man wird bestrebt sein, von der Filmindustrie Farbfilme anzukaufen und diese in Farben wiederzugeben. Welches der angeführten Systeme sich nun besser eignet, um diese Filmkonserven in halbwegs natürlichen Farben über den Bildschirm auszustrahlen, muß sich erst erweisen.

Wenn man also heute beispielsweise beim österreichischen Fernsehen für einen abendfüllenden Spielfilm zwischen 25.000 Schilling und 30.000 Schilling bezahlt, dann muß es sich um einen Film handeln, der auch beim breiten Publikum „ankommt“. Diese Gewißheit wieder hat man nur, wenn der Film schon vor dem Kinopublikum Erfolg hatte, denn das Fernsehen ist noch viel zu jung, um selbst aus Erfahrung heraus urteilen zu können.

Oft hören wir die Frage, wie kommt denn überhaupt ein Kinospielfilm ins Fernsehen? Die Antwort ist recht einfach. Wenn eine Filmverleihfirma oder auch ein Filmproduzent, an den die Verleihrechte bereits zurückgefallen sind, der Meinung ist, er kann seinen Film nicht mehr im Kinoeinsatz auswerten, dann bietet er den Streifen dem Fernsehen an.

Es steht außer Frage, daß die Fernsehverwaltung des Kinospielfilms auch weiterhin einen wesentlichen Programmbestandteil ausmachen wird. Für die Fernsehprogrammgestalter ergibt sich daraus aber eine mannigfaltige Schwierigkeit. Die Filme sollen thematisch den Publikumswünschen entsprechen, sie sollen technisch einwandfrei und für das Fernsehen geeignet sein. Und dazu kommt nicht zuletzt die Schwierigkeit, daß man in den diversen Fernsehdirektionen in ganz Europa den Filmeinkäufern nur einen zweitrangigen

Platz einräumt. Jeder kleine Lifeproduzent, ob er nun einen Kulturfilm, einen Dokumentarfilm oder eine Reportage macht, ist für die Fernsehgewaltigen wichtiger als jener Mann, der für die Füllung des Abendprogramms sorgt.

Der Film hat seine eigenen Gesetze, das Fernsehen hat diese noch nicht, denn dazu ist es noch viel zu jung. Für all jene aber, die heute schon erkennen, welche Möglichkeiten der echten und keineswegs konkurrenzierenden Zusammenarbeit vorhanden sind und wie diese Möglichkeiten genutzt werden können und im Interesse der Allgemeinheit auch genutzt werden müssen, ergibt sich ein ungemein großes Betätigungsfeld im Sinne echter Zusammenarbeit über all die hochgeschichteten Barrikaden hinweg, die unverständige Menschen aus den verschiedensten Gründen zwischen Film und Fernsehen in den letzten Jahren errichtet haben.

Wie der Film genausowenig untergehen wird wie das Theater, so wird das Fernsehen ein Bestandteil im Leben der modernen Konsumgesellschaft werden wie etwa der Rundfunk. Eine Basis der Zusammenarbeit zu finden und das filmische Abendprogramm nicht zweitrangig gegenüber Lieblingskindern zu beurteilen, scheint uns eine ebensolche Notwendigkeit zu sein wie die Klarstellung, daß dem Fernsehen nicht die kleinste Perle aus seiner eingebildeten Krone bricht, wenn es zugibt, daß ein gestalteter Film immer noch weit mehr sein Publikum fesselt als manche zum Teil recht flüchtig gemachte Lifesendung mit dem Tenor „Man muß dabei gewesen sein“.

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