El olivo - © Polyfilm

"El Olivo": Neuer Anfang nach der Entwurzelung

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"El Olivo": Am Beispiel eines aus Profitgier verkauften Olivenbaums erzählt Icíar Bollaín von der spanischen Krise, gesellschaftlichen Rissen und der Hoffnung trotz alldem.

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"El Olivo": Am Beispiel eines aus Profitgier verkauften Olivenbaums erzählt Icíar Bollaín von der spanischen Krise, gesellschaftlichen Rissen und der Hoffnung trotz alldem.

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Nachdem die Spanierin Icíar Bollaín vor sechs Jahren in "Und dann der Regen" sich dem bolivianischen Wasserkrieg und den Nachwirkungen des Kolonialismus widmete, blickt sie nun in "El Olivo" auf die Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf die spanische Gesellschaft.

Im Mittelpunkt steht die 20-jährige Alma (Anna Castillo), die eine innige Beziehung zu ihrem Großvater hat, aber in Konflikt mit ihrem Vater steht. Denn um ein Strandrestaurant zu finanzieren, hat der Vater vor Jahren Teile des prächtigen Olivenhains verkauft, der sich seit Generationen im Familienbesitz befand. Die Investition erwies sich zwar rasch als Flop, doch der Opa kam nie über diesen Ausverkauf hinweg.

Immer wieder sucht er den ehemaligen Standort des schönsten Baumes auf, den die Römer vor 2000 Jahren gepflanzt haben sollen. Eine Totale isoliert dabei nicht nur den alten Mann, vermittelt nicht nur seine Einsamkeit, sondern beschwört auch die Schönheit dieser Gegend.

Ausverkauf Spaniens

In fließend eingeflochtenen kurzen Rückblenden lässt Bollaín Alma sich an ihre Kindheit mit dem Großvater erinnern, an ihre gemeinsame Fürsorge für den Olivenbaum, aber auch an dessen brutale Entwurzelung und Versetzung nach Düsseldorf, wo er nun im Foyer eines Energiekonzerns steht und als Firmenlogo fungiert.

Weil Alma nicht erträgt, wie der Opa zunehmend dem Schweigen und der Demenz verfällt, bricht sie mit ihrem Onkel und einem LKW-Fahrer, der die junge Frau heimlich liebt, nach Deutschland auf, um den Baum zurückzuholen.

Wunderbar rund ist das erzählt, sehr gefühlvoll, aber nie sentimental. Einerseits ist die Geschichte, zu der Bollaíns Ehemann Paul Laverty, der auch Ken Loachs bevorzugter Drehbuchautor ist, von einer Zeitungsnachricht in "El Pais" über den Verkauf alter Olivenbäume angeregt wurde, märchenhaft, andererseits realistisch und gesellschaftskritisch in den Details.

Prägnant schildern Bollaín/Laverty die Träume vom großen Geld und den Katzenjammer nach der Krise, um vor diesem Hintergrund die gesellschaftlichen Folgen und den Bruch zwischen den Generationen herauszuarbeiten. Zwar etwas schematisch, aber wirkungsvoll werden der Elterngeneration, die materialistisch denkt, der Opa und seine Enkelin Alma gegenübergestellt, die eine enge emotionale Bindung und die Wertschätzung von Traditionen und Wurzeln verbinden. Der Baum ist für ihr Denken ein ebenso starkes Bild wie seine Entwurzelung für die Befindlichkeit der Eltern.

Mit dem Aufbruch nach Deutschland wandelt sich "El Olivo" aber von der Gesellschaftsschilderung zum klassischen Roadmovie um eine ungleiche Reisegesellschaft, die sich aneinander reibt. In sicherem Timing wechseln dabei Landschaftstotalen der in Ocker getauchten spanischen Landschaft und Gespräche zwischen dem von Anna Castillo, Pep Ambrós und Javier Gutiérrez sehr natürlich und mit sichtlichem Vergnügen gespielten Trio, das sich im Laufe der Reise freilich auch näher kommt, ohne dass dies besonders forciert würde.

Solidarität der Frauen

Und schließlich ist dieses souverän zwischen Drama und Komödie balancierende Öko- und Sozialmärchen, das ohne großes Happy-End, aber hoffnungsvoll mit einem kleinen Neubeginn endet, auch ein Film über den Mut, die Stärke und die Solidarität von Frauen. Denn während sich die Männer, die teilweise dem Typus des spanischen Macho entsprechen, gegen Almas Plan stellen, unterstützen sie nicht nur ihre spanischen Freundinnen mit Internetrecherchen, sondern auch in Deutschland mobilisieren vier Frauen über Facebook die Öffentlichkeit.

Leichthändig zeigen Bollaín/Laverty so die Macht sozialer Netzwerke, rechnen beiläufig auch mit dem Energiekonzern ab, der seinen Einsatz für Nachhaltigkeit betont. Sie fordern den Zuschauer mit ihrem sanften humanistischen Feelgood-Movie auf, selbst aktiv zu werden, sich nicht alles gefallen zu lassen - und einen achtsamen Umgang mit den Menschen und der Natur über Profit zu stellen.

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