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Ulrich Seidl: Bubenspiele

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In „Sparta“, dem „Zwillingsfilm“ zum letztjährigen Opus „Rimini“, lässt Regisseur Ulrich Seidl seinen Darsteller Georg Friedrich sich mit Gefühlen auseinandersetzen, die nicht sein dürfen.

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In „Sparta“, dem „Zwillingsfilm“ zum letztjährigen Opus „Rimini“, lässt Regisseur Ulrich Seidl seinen Darsteller Georg Friedrich sich mit Gefühlen auseinandersetzen, die nicht sein dürfen.

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Man kann übers Œuvre von Ulrich Seidl gewiss unterschiedlicher Meinung sein – und sich etwa darüber echauffieren, wie in „Hundstage“ (2001) und davor wie danach Menschenabgründe und humanoide Karikaturen filmisch seziert werden. Auch wie Seidl das Beten durch die Art seines Filmens zu deviantem menschlichem Verhalten verkommen lässt (zuerst in „Jesus du weißt“, 2003; dann in „Paradies: Glaube“, 2012), bietet Beispiele für ein Panoptikum der Abartigkeiten, für das Seidl-Filme taxfrei herhalten können. Das gilt erst recht für ein dem Publikum als „Dokumentarfilm“ verkauftes Opus wie „Im Keller“ (2014) wo Seidl nicht nur altneonazistische Umtriebe outete (man wundert sich da nur, dass sich die Protagonisten derselben so einfach filmen ließen), sondern auch einen adipösen Mann an seinen Testikel aufhängen ließ, um extravagante Sexualpraxis auf die Leinwand zu bringen.

In diesem Sinn kann einen bei diesem Filmemacher nur mehr wenig wundern. Aber es gibt bei ihm auch Problematischeres als die cineastische Wiedergabe österreichischer Verrücktheiten: Dass die Vereinsamung austriakischer Weiblichkeit in reifen Jahren im filmischen Reisebericht aus Kenia offenbar wurde („Paradies: Liebe“, 2012), entlarvte auch, dass Seidl keinerlei Scheu zeigte, kenianische Männer jüngeren (aber nicht zu jungen!) Alters bei Kopulationsdienstleistungen darzustellen – explizit wie eh und je –, aber sich einer neokolonialistischen Attitüde gegenüber den schwarzen Darstellern zu befleißigen ...

An der Grenze zur Grenzüberschreitung

Kein Zweifel: Die Seidl’sche Bildsprache und Dramaturgie findet immer an der Grenze zur Grenzüberschreitung statt. Dass nun sein jüngstes Opus „Sparta“, das eigentlich im Zusammenhang mit seinem vorhergehenden Epos „Rimini“ (2022) zu sehen sein sollte, mit Missbrauchs- und Gewaltvorwürfen am Set einherging, verwundert dann doch. Denn die Geschichte des Mittvierzigers Ewald (Georg Friedrich), der in Rumänien eine „Festung“ für Buben der Umgebung baut, ist keine Missbrauchsgeschichte. Sondern vielmehr ein für Seidl’sche Verhältnisse geradezu empathisches Drama um einen zu Kindern Hingezogenen, der aber versucht, mit seiner Veranlagung fertigzuwerden, ohne sich an den Burschen zu vergreifen.

Es gibt in „Sparta“ – im Gegensatz zu anderen Seidl-Filmen – keine einschlägigen Settings, sondern den auch verzweifelten Kampf eines Menschen, der Gefühle hat, die er nicht haben darf, und der sich quält, den ausgesprochenen und unausgesprochenen Normen der Gesellschaft zu genügen. Wie immer in derartiger Abgründigkeit gelingt Georg Friedrich als Ewald eine mehr als eindrückliche Performance.

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