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Unter dem Schatten der Politik

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Cannes, im Mai Zwei Dinge sind es, die dem kritischen Betrachter dieser auf 18 Tage ausgedehnten Filmfestspiele in Cannes (normalerweise erstrek-ken sich derartige Festivals nur auf zwölf Tage) nach der recht anstrengenden Sichtung von 7 4 Lang- und Kurzfilmen sowie über einem Dutzend außerhalb der Festspielkonkurrenz gezeigten Streifen besonders im Gedächtnis haften blieben: die aus politischen Motiven erfolgten Ablehnungen und Rücknahmen schon programmierter Filme und das Ueberangebot nicht immer festspielreifer Leistungen. Zugegeben, daß man im Interesse der Ausweitung des internationalen Kontaktes zwischen den Filmindustrien und Filmschaffenden auch jungen Filmländern, wie zum Beispiel Brasilien, Aegypten oder Bulgarien die Möglichkeit gibt, den Stand des bisher Erreichten zu präsentieren. Gerade dann aber müßte die kritische Vorsichtung bei den anderen Nationen besonders ernst genommen werden, um nicht ein Gros von Geschäftsfilmen eindringen zu lassen, die zu der eigentlich von Filmfestivals erwarteten künstlerischen Anregung des Filmschaffens nicht viel beizutragen haben. Diese schon im vergangenen Jahr bei der Venediger Filmbiennale gemachte Erfahrung zeigte sich nun auch im Palais des Festivals an der Croisette von Cannes. Ob man dieser Entwicklung mit der absoluten Beschränkung auf zwölf Filme, wie sie die Italiener für dieses Jahr in Venedig planen, erfolgreich begegnen kann, wollen wir noch nicht entscheiden. Eines jedenfalls wird diese Maßnahme für ch haben: der Festspielbesucher und Kritiker, dem es wirklich auf das Metier „Film“ und dessen künstlerisch-technische Förderung ankommt, wird Gelegenheit haben, den gebotenen Leistungen mit wirklich aufnahmebereiten Sinnen zu begegnen. Ein Faktum, das zum Beispiel diesmal in Cannes, wo an manchen Tagen drei Langfilme und drei Kurzfilme zu bewältigen waren, nicht immer gegeben war. Uebersättigung ist stets schädlich.

Auch die Tatsache, daß ein Filmfestival einen Teil seiner Anziehungskraft aus nicht immer geschickten politischen Auseinandersetzungen bezieht, ist nicht rühmenswert. Gerade im Zusammenhang mit der Ablehnung des deutschen Films „Himmel ohne Sterne“ unter Hinweis auf den ominösen 5 der Festspielordnüng von Cannes — er verlangt die Absetzung eines Filmes, wenn die nationalen Gefühle eines anderen Landes verletzt werden könnten — zeigte es sich, daß solche Reglementierungen zu Gummiwirkungen gedehnt werden können, mit denen sich jede Diskussion menschlicher Zeitprobleme abwürgen läßt. Wobei dieses Argument in gleicher Weise für die in Cannes zurückgestellten Filme „Nuit et brouillard“ (Frankreich), „Ombre“ (Polen), „Le soldat inconnu“ (Finnland) und „A town like Alice“ (England) gilt. Besonders unangenehm wird der Beigeschmack, wenn derartige Filme schon zur Vorführung angenommen waren und dann erst während der Veranstaltung plötzlich ausgemerzt werden.

Die Auszeichnung des französischen Unterwasserfarbfilms „Le monde du silence“ von Jaques Yves Cousteau und Louis Malle mit dem 1. Preis für Langfilme und des Kurzfilmes,„Le ballon rouge“ von Albert Lamorisse krönte verdient zwei Leistungen, die geeignet sind, dem filmischen Schaffen neue Anregungen zu geben.

Auch Oesterreich, das diesmal zwar keinen Preis errang, kann r. it dem Publikumswiderhall und den Kritiken über den Film „M o z a r t“, dessen Hauptdarsteller Oskar Werner in Cannes ehrlich gefeiert wurde, und zwar von den routinierten „Festivaliers“ gleichermaßen wie von den unbefangenen Zuschauern, recht zufrieden sein. Man wertete diesen Film wie auch den von Hanns Wagula gestalteten Kurzfilm „Salzburger Impressionen“, bei dem sich der Schöpfer vielleicht nur etwas zu sehr von seinen malerischen Ambitionen hatte leiten lassen, als einen beachtenswerten künstlerischen Beitrag.

Etwas enttäuscht haben diesmal die Japaner, deren beide Spielfilme „Le christ en bronze“ und „Le cheval fantöme“ in Thema und Gestaltung zu sehr mit Blick auf den okzidentalen Geschmack gemacht waren und sich damit der packenden Eigenart eines „Rashomon“ oder des „Höllentores“ begeben hatten. Ausgezeichnet waren wieder die Farben sowie einige schauspielerische Leistungen.

Die Gewährung eines Sonderpreises an den von Clouzet geschaffenen Film „Le mvstere Picasso“ war zu erwarten gewesen. Aufschlußreich war sie schon, diese filmische Durchleuchtung der Arbeitsmethodik Picassos, bei dem man nie ganz die Empfindung los wird, daß er sich oft in Werk und Auftreten über seine Umwelt lustig macht. Eine Mischung von Genialität und Snobismus als Spiegelbild unserer suchenden Zeit fand hier seinen interessanten filmischen Niederschlag.

Abgesehen von den diplomatisch-politischen Verwicklungen bot Cannes zwar filmisch keine überwältigenden Ueberraschungen, aber es zeigte, wie gerade zum Beispiel die beiden preisgekrönten französischen Filme, daß es durchaus nicht kurvenreicher Schönen — die sich ohnehin am Rande der Festivals überreichlich in Positur setzen — bedarf, um zum Erfolg zu gelangen. Und diese Erkenntnis ist wertvoll genug, um einen die sonstigen Schwierigkeiten vergessen zu lassen.

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