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Digital In Arbeit

WO WIRD DAS ENDEN?

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“f^Tun haben wir schon mehr als dreihunderttausend angemel-J-^' dete Fernsehteilnehmer in Österreich. Und wenn man gewissen Zukunftsberichten Glauben schenken will, dann muß man annehmen, daß spätestens in der nächsten Generation das Leben der Menschen vom Fernsehen völlig beherrscht sein wird. Ob zu Hause, in öffentlichen Lokalen oder sogar beim Autofahren, immer werden sie, vom Morgen bis in die Nacht hinein, auf das — natürlich farbige — Bild starren. Sie werden nichts mehr lesen, weder ins Kino noch ins Theater gehen, und selbst das Essen wird zur Fernsehnebenbeschäftigung herabsinken.

Nun, ob das Fernsehen die Menschen beherrschen wird oder der Mensch das Fernsehen, das liegt — schon wiederholt wurde an dieser Stelle darauf hingewiesen — ausschließlich an den Menschen selbst. Welchen Gebrauch wir von den Geschenken der Technik machen, das liegt an uns. Was die technische Entwicklung noch für Überraschungen für uns bereithält, wissen wir nicht. Aber es mag ganz nützlich sein, zu überlegen, was wir nach dem heutigen Stand der Dinge in nächster Zukunft zu erwarten haben.

So paradox es klingen mag, genau besehen, ist das Fernsehen ja eigentlich ein Nahsehen: Die sehr kurzen elektrischen Wellen (die „Ultrakurzwellen“), die man aus technisch-prinzipiellen Gründen zur Fernsehübertragung verwenden muß, haben eine relativ kleine Reichweite; sie breiten sich genau geradlinig aus, wie das Licht, und im allgemeinen ist ein Empfang nur innerhalb der theoretischen Sichtweite möglich.

Um eine Fernsehübertragung über große Strecken durchzuführen, bedarf es einer Reihe sogenannter Relaisstationen, über die das Fernsehprogramm — von einer Station zur nächsten — „weitergereicht“ wird.

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So ist auch eine direkte Übertragung zwischen den durch Ozeane getrennten Kontinenten unmöglich. Der Traum, ein Ereignis, das sich etwa in Amerika abspielt, in Europa „fernzusehen“, läßt sich — wenn man die sehr kostspielige und unrationelle Verbindung über ein transatlantisches Fernkabel vermeiden will — auch hier nur durch die Zwischenschaltung von Relaisstationen verwirklichen. In der Tat wurde bereits vor einigen Jahren ein sehr ausführlicher Plan ausgearbeitet, wie man durch eine möglichst kleine Zahl von Relaisstationen auf festen Punkten in der Polarregion und auf einigen Schiffen eine Fernsehverbindung zwischen Amerika und Europa schaffen könnte. Auch die Möglichkeit, Flugzeuge als Relaisstationen zu benützen, wurde immer wieder erörtert. Noch ehe aber einer dieser Pläne in die Tat umgesetzt ist, zeigt sich schon wieder ein neuer Weg: die Verwendung von Satelliten als Relaisstationen; und wir können damit rechnen, daß noch in diesem. Jahr ein derartiger Versuch unternommen wird. Da man von einem solchen Satelliten aus einen recht erheblichen Teil der Erdoberfläche „überblickt“, würden einige wenige Satelliten ausreichen, um ein Fernsehprogramm gleichzeitig auf der ganzen Welt empfangen zu können.

Die Möglichkeit direkter weltweiter Fernsehverbindungen schafft jedenfalls ganz neue Kontaktmöglichkeiten zwischen den Menschen; und es ist heute gar nicht abzusehen, in welcher Weise dieser technische Fortschritt die Zukunft der Menschheit beeinflussen wird.

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Eine weniger erfreuliche Tendenz zeichnet sich auf dem Gebiet der Programmgestaltung ab. Allen mahnenden Worten zum Trotz geht man in aller Welt immer mehr dazu über, die Fernsehprogramme vorzuproduzieren und nur Aufzeichnungen zu senden. So wird das Fernsehen allmählich zu dem werden, was der Rundfunk schon seit langem ist: zu einem Mittel zur Verbreitung von Konserven, in diesem Falle also von Bild-Ton-Konserven; womit es sich dann vom Kino nur noch dadurch unterscheidet, daß man seine Darbietungen zu Hause, in Filzpantoffeln, verfolgen kann.

Die technische Entwicklung geht unaufhaltsam weiter. So wird uns auch das Farbfernsehen nicht erspart bleiben. Natürlich, bei Live-Übertragungen wäre die Farbe ein wesentlicher Gewinn, sie würde wohl den Eindruck der Unmittelbarkeit, die

Faszination des „Dabeiseins“, wesentlich verstärken. Dort aber, wo man künstlerische Maßstäbe anlegt (und man wird sie bei vorproduzierten, aufgezeichneten Sendungen viel eher verlangen als bei Live-Sendungen), wird die Farbe leicht problematisch. Natürlich ist die Farbe ein wirkungsvoller Effekt; aber man bedenke nur, wie gering der künstlerische Gewinn ist, den die Farbe dem Film bisher gebracht hat. Vielleicht liegt der Grund dafür, daß sich das Farbfernsehen in den USA bei Weitem nicht in dem Maße eingeführt hat. wie man es eigentlich allgemein erwartet hatte, zum Teil auf dieser Ebene, und nicht nur bei den außerordentlich hohen Kosten, die für alle Beteiligten mit dem Farbfernsehen verbunden sind. Technisch ist man heute jedenfalls in der Lage, qualitativ ganz ausgezeichnete Farbübertragungen durchzuführen und auch Farbfernsehaufzeich-mmgen zu machen. Eine weltweite Einführung des Farbfernsehens dürfte aber noch einige Zeit auf sich warten lassen. Wir brauchen darüber nicht betrübt zu sein. Und nicht darauf zu warten. Man kann mit dem gleichen Geld, das man für schlechte Farbprogramme ausgeben müßte, sehr gute Schwarzweißsendungen machen...

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“T\avon abgesehen, zeichnen sich im Empfängerbau für die Zu-*^ kunft zwei Tendenzen ab. Einmal werden immer größere Bildschirme verlangt; man fragt sich allerdings: Wozu? Die Norm, nach der das Fernsehbild in Zeilen zerlegt wird, basiert nun einmal — und muß es aus prinzipiellen Gründen — darauf, daß Bildgröße und Betrachtungsabstand in einer bestimmten Relation zueinander stehen, daß also der Bildwinkel für den Betrachter einen bestimmten Wert nicht überschreitet. An Schärfe und Detailauflösung gewinnt man durch Vergrößerung der Bildfläche nichts.

Der andere Weg aber führt zum kleinen Gerät (und damit zum kleinen Bild), nämlich zum tragbaren Fernsehempfänger. Ob es eines Tages die Regel sein wird, daß wir, einen Fernsehempfänger wie ein Buch vor uns haltend, fernsehend durch die Straßen stolpern oder daß wir eine 500-Kilometer-Erholungs-fahrt mit dem Auto machen, um — am Ziel angelangt — auf dem mitgebrachten Fernseher das Programm zu verfolgen, das läßt sich nicht mit Gewißheit voraussagen. Wenn es aber dazu kommen sollte, dann dürfen wir keinesfalls der Technik oder „dem Fernsehen“ die Schuld daran geben.

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