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Das KZ als Melodram

Aus Sicht des kleinen Bruno muss er sich von seinen Freunden, seinen Großeltern, der vertrauten Umgebung trennen, weil Papa eine neue Arbeit bekommen hat. Das neue Haus, mit der Mauer rundherum, ist für den angehenden Entdecker ein Gefängnis, sich rauszustehlen eine verlockende Idee. Noch dazu liegt nicht weit entfernt ein Bauernhof, mit lauter Menschen in Pyjamas, und einem Buben namens Schmuel, der auch hinter einem Zaun sitzt und vielleicht sein Freund sein kann. Was Bruno vorhat, wollen jedoch alle Erwachsenen um ihn nicht geschehen lassen: Sein Vater ist Kommandant des "Bauernhofs" - eines KZ. "Der Junge im gestreiften Pyjama", verfilmt nach dem gleichnamigen Roman von John Boyne, schwillt auf absehbares Tragödienausmaß an. Zwischen naivem Kinderblick und ebenso naiver Nachgeborenen-Herunterbrechung des Holocaust verhaftet, machen die scharfsinnigen Nebenmomente aus dem eigentlichen Geschehen eine melodramatische Plattform, die schwer am Rest zu tragen hat. Überzeugen können lediglich die Akteure, allen voran Vera Farmiga als Brunos Mutter. (Thomas Taborsky)

Der Junge im gestreiften Pyjama (The Boy in the Striped Pyjamas)

USA/GB 2008. Regie: Mark Herman. Mit Asa Butterfield, Jack Scanlon, Vera

Farmiga. Verleih: Disney. 94 Min.

Aussterbende Bergbauern

"Was willst du später einmal werden?", fragt der Regisseur aus dem Off. "Bauer, wie Papa", antwortet der kleine Junge. "Den Beruf wird es dann nicht mehr geben", erwidert der Vater. Im Dokumentarfilm "La vie moderne" hält der französische Filmemacher Raymond Depardon die letzten Momente eines untergehenden Berufes fest: dem des Bergbauern. Für fast keinen der abgelegenen bäuerlichen Familienbetriebe, die er besucht hat, findet sich ein Nachfolger, die Höfe verfallen, die Weiden werden von Gestrüpp überwuchert. In der Tradition des "Cinéma verité" hält der Filmemacher die Kamera auf seine Protagonisten, allesamt einfache Menschen, viele jenseits der 70, die einen wortkarg, die anderen auskunftsfreudig. Sie erzählen vom Absterben der bäuerlichen Kultur, von der Unmöglichkeit den Hof weiterzuführen oder starren einfach nur vor sich hin. Lange Kamerafahrten durch menschenleere Landschaften erzeugen zusätzlich eine melancholische Stimmung, obwohl sich Depardon selbstverständlich jeglichen Druck auf die Tränendrüse versagt. Doch der Zuseher weiß: Der Tod der gezeigten Menschen wird auch der Tod ihrer uralten Gehöfte sein. (Michael Kraßnitzer)

Neue Zeiten - La vie moderne

F 2008. Regie: Raymond Depardon.

Verleih: Stadtkino. 88 Min. Ab 12.6.

"Batman" wird Terminator

Hollywood verkraftet Neuerungen ebenso wenig wie Unkonventionelles. Das erklärt auch, warum der vierte Spross der "Terminator"-Reihe seinen direkten Vorgänger tunlichst ignoriert: Der war für dortige Vorstellungen zu mutig gewesen. Lieber baut "Terminator: Die Erlösung" auf den Kanon, den ihm die ersten beiden Teile nahelegen, und dreht an der Effektschraube. Beides klappt prächtig, schließlich schreiben wir das Jahr 2018, die Reste der Menschheit wehren sich gegen das Maschinenheer von Skynet, und was noch nicht kaputt ist, darf dröhnend zerlegt werden. Gefahr für John Connor, den prophezeihten Anführer des Widerstands, kommt dabei in Gestalt eines Mannes, der vor langer Zeit hingerichtet wurde, plötzlich aber mitten zwischen den Fronten wieder zum Leben erwacht. Regisseur McG ergreift jede sich bietende Gelegenheit, per Farbreglern eine stimmige postapokalyptische Kulisse zu erzeugen. Das ewige Rätsel allerdings, warum es in der Endzeit an Essen mangelt, nicht aber an Zahnpasta, bleibt wieder einmal ungelöst. (Thomas Taborsky)

Terminator: Die Erlösung (Terminator Salvation)

USA/D/GB 2009. Regie: McG. Mit

Christian Bale. Verleih: Sony. 115 Min.

Meisterlicher Horror

Wer sich fürchtet, weiß, wie fürchten geht. Ideal also, wenn Sam Raimi, Regisseur des legendären "Tanz der Teufel", von sich selbst behaupten kann: "Viele Horrorfilme halte ich aus Angst fast nicht bis zum Ende durch." Ein Grund, warum er seine Werke immer mit Humor versetzt.

Seit Raimi aber mit drei "Spiderman"-Filmen zur Blockbuster-Elite aufgestiegen ist, vermissten Fans seine Horror-Inszenierungskunst.

Mit seinem neuen Film "Drag Me To Hell" zeigt sich der Makaber-Meister aber in alter Bestform: Entnervende Perspektiven, wilde Kamerafahrten, ein packender Score, exzellentes Sounddesign, erschütternde Schreckensmomente und viel schwarzer Humor umrahmen die Geschichte der Bankangestellten Christine (Alison Lohman), die das beflehte Kreditgesuch der Zigeunerin Mrs. Ganush (Lorna Raver) ablehnt. Mrs. Ganush belegt Christine mit einem Fluch, der ihr drei Horror-Tage bescheren soll, bis ein Dämon sie in die Hölle verschleppen wird.

Trotz mancher Leerläufe ist "Drag Me To Hell" in gewisser Hinsicht eine Variation von "Tanz der Teufel". Selten war (drei Tage lang) Durchhalten so schaurig-schön schwierig. (Alexandra Zawia)

Drag Me to Hell

USA 2009. Regie: Sam Raimi. Mit Alison Lohman, Justin Long, Lorna Raver.

Verleih: Universal. 99 Min. Ab 11.6.

Passion Amazonien

Dass schöne Bilder allein zu wenig sind, um einen ausdrucksstarken Film zu machen, weiß auch Filmemacher Herbert Brödl: Er verknüpft in seinem unkonventionellen Dokumentar-Spielfilm "Flieger über Amazonien" malerische Landschaftsaufnahmen mit der poetischen (Lebens-)Geschichte zweier Piloten, für die der Traum vom Fliegen Realität ist - Job, Passion und Schicksal zugleich.

Auf ungewöhnliche Art und Weise blickt Brödl quasi aus der Vogelperspektive hinter die Fassade der Himmelsstürmer Nilton und Fernando - zwei grundverschiedene Männer, die ein gemeinsames Erlebnis verbindet: Beide Piloten wurden Opfer einer blutigen Flugzeugentführung, an deren psychischen Folgen sie bis heute leiden.

Die ungewöhnliche Film-Melange aus Fakten, Fiktion und Fantasie bildet den Abschluss von Brödls "Äquator"-Zyklus, der sich mit den Menschen und dem Leben in den Tropen beschäftigt. "Der Rio Negro hat's mir angetan. Ich hab den Fluss gesehen und wusste, das ist mein Ort.

Eine solche Begegnung hat man vielleicht nur einmal im Leben, wie die Begegnung mit einem Lebensmenschen", begründet der österreichische Regisseur seine Leidenschaft für Amazonien - eine Passion, mit der Brödl zu einem cineastischen Leinwand-(Aus-)Flug abhebt. (Jürgen Belko)

Flieger über Amazonien

A 2008. Regie: Herbert Brödl.

Mit Nilton Bicudo, Fernando A. Pinto,

Valdivino Almeida, Rosa Malagueta.

Verleih: Polyfilm. 82 Min.

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