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Surreal übermütig

Marina, 23, lebt mit ihrem Vater in einer am Reißbrett entworfenen Fabrikstadt am Meer, wo die Zeit seltsam stillsteht. Mit der Welt befasst sie sich am liebsten indirekt, über die Musik der Kultband "Suicide", über die Tierdokus von Sir David Attenborough, und den Unterricht im Zungenküssen, den sie von ihrer abgeklärten Freundin Bella erhält. Wenn Bella ihr dann die Beschaffenheit eines männlichen Penis erläutert, ist Marina abgestoßen. Und dass ihre Freundin, die es mit den Männern nicht so genau nimmt, ausgerechnet Marinas Vater attraktiv findet, ist überhaupt unpassend, denn nichts darf das wortlose Einverständnis und die Kameradschaft zwischen Vater und Tochter stören. Eine schlechte Nachricht und die Ankunft eines Fremden ändert aber alles: "Attenberg", der zweite Langfilm der jungen griechischen Regisseurin Athina Rachel Tsangari, ist schwermütig und leichtfüßig, atemlos poetisch und übermütig, zart, witzig und schlau. Chansons, unüberbietbar surreale Tanzszenen und schrulliger Wortwitz machen diesen wunderbar verspielten Film aus. (Magdalena Miedl)

Attenberg

GR 2010. Regie: Athina Rachel Tsangari. Mit Ariane Labed, Vangelis Mourikis.

Verleih: Stadtkino. 95 Min. Ab 14. 1.

Hübsch, aber selbstironisch

E r bricht die Herzen der stolzesten Frauen - nicht nur, weil er so leidenschaftlich ist, sondern vor allem, weil er die Lizenz zur Verführung hat: Wann immer eine Frau scheinbar "den Falschen" liebt, wird "Der Auftragslover" Alex (Romain Duris) von besorgten Verwandten oder Bekannten mit der Beseitigung ihrer rosaroten Brille beauftragt. Mit seiner Schwester und deren Mann betreibt er ein regelrechtes Unternehmen, das sich auf den Aufbau und die Durchführung gefinkelter Verführungsattacken spezialisiert hat - Erfolgsquote: 100 Prozent. Als Alex jedoch Juliette (Vanessa Paradis) auf Wunsch deren Vaters von ihrem Verlobten abbringen soll, kommen ihm Zweifel. Nicht nur, dass diese beiden einander (scheinbar) wirklich lieben, es regen sich erstmals auch bei Alex Gefühle für seine Klientin. Regisseur Pascal Chaumeil nutzt das mediterrane Ambiente von Monaco für viele hübsche Bilder in einer vorhersehbaren Story. Versucht selbstironisch mixt er seine romantische Komödie mit Elementen des Agenten-Thrillers, was den Film zumindest stilistisch etwas hervorhebt. (Alexandra Zawia)

Der Auftragslover (L'Arnacoeur)

F/MC 2010 - Regie: Pascal Chaumeil. Mit Romain Duris, Vanessa Paradis.

Verleih: Constantin. 105 Min.

Flitter, Schampus, lange Beine

Braves Landmädchen kommt nach Los Angeles, um hier als Sängerin ein Star zu werden, arbeitet als Kellnerin in einer Showbar, tritt per Zufall ans Mikrofon, wird entdeckt und stellt die Stadt auf den Kopf: Nein, vom Leben ist "Burlesque" nicht inspiriert, zumindest nicht vom alltäglichen Leben, das Kinogänger normalerweise führen. Aber als Märchenmaschine für junge Mädchen mit Hang zu Paillettenkostümen und hohen Absätzen funktioniert das glamouröse Filmmusical bestens: Das brave Landmädchen wird von Pop-Prinzessin Christina Aguilera in ihrer ersten Kinorolle verkörpert, mit Stimmgewalt und vollem Körpereinsatz bei spektakulären Tanzeinlagen. Die Besitzerin der Burlesque-Bar, in der die Metamorphose zum Star passiert, wird von Showkönigin Cher gespielt, die in den letzten Jahren kaum einmal auf der Leinwand zu sehen war - es war wieder einmal höchste Zeit. Beide Damen singen, beide tanzen, die Kostüme sind sensationell, die Dialoge und die Handlung erwartungsgemäß zum Davonlaufen. In den Nebenrollen sind allerlei ansehnliche Herren und leicht bekleidete Damen zu sehen, Stanley Tucci ist wunderbar als schwuler Stage Manager und bester Freund aller Damen, und wer Spaß am Unterhaltungsgenre Musikglitzerfilm hat, wird auch hier Freude haben. Kritikerliebling will so ein Film ja gar nicht sein. (Magdalena Miedl)

Burlesque

USA 2010. Regie: Steve Antin. Mit Cher, Christina Aguilera, Stanley Tucci, Cam Gigandet, Eric Dane, Kristen Bell,

Peter Gallagher. Verleih: Sony. 119 Min.

Bissige Utopie

Nicolas Albernys und Jean Machs bissige Utopie "8th Wonderland" erzählt von einem Staat, den ein global zusammengesetztes Kollektiv aus Hunderten von Menschen im Internet gegründet hat. Sie wollen den bloßen Worten der Politik Taten entgegensetzen. Wöchentlich stimmen die Bürger über die nächsten Aktionen ab. Per demokratischen Beschluss wird so der Vatikan mit Kondom-Automaten dekoriert oder millionenschwere Fußballprofis zur chinesische Massenschuh-Produktion verfrachtet. (red)

8th Wonderland

F 2009. Regie: Nicolas Alberny, Jean

Mach. Verleih: Poool. 94 Min.

Toskana-Monologe

"Wenn du von einem alten Menschen etwas erfährst, das aufnimmst, was er weiß, dann weißt du es schon als junger Mensch. Es ist wie ein Anfang, um weiter zu gehen." Folco Terzanis Anfang sind Erinnerungen, des Vaters, die ein Bestseller waren, erzählen sie doch vom ereignisreichen Leben von Tiziano Terzani, Autor und langjähriger Südostasien-Korrespondent des Spiegel. Der große Mann bittet also den Sohn zu sich in die Toskana, will ihm von seinem Leben erzählen, von Florenz und Asien, vom Kommunismus und der Auseinandersetzung mit sich selbst, zu der ihn eine Krebserkrankung zwingt.

Die zu Papier gebrachten Gedanken fanden nun den Weg auf die Leinwand, Bruno Ganz verkörpert den Weitgereisten. Die Entscheidung, auf schwelgerische Rückblenden zu verzichten, ist mutig. Ein minimalistischer Film, der in mildem Tonfall die Fragen der Existenz diskutiert und sich auf seine Schauspieler verlässt. Er erinnert an ein großes Leben. Terzanis Wesen ist jedoch nur ansatzweise zu erahnen. (Nicole Albiez)

Das Ende ist mein Anfang

D/I 2009. Regie: Jo Baier. Mit Bruno Ganz, Elio Germano, Erika Pluhar. Verleih: Filmladen. 98 Min.

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