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Eine idyllische Familie

Dieser Film ist keine Geschichte. Er ist ein Zustand. In "Folge mir“ zeigt Johannes Hammel die Zwänge und Ängste einer Familie, in der jeder still vor sich hin leidet. Die Mutter (Daniela Holtz) hat manisch-depressive Züge, ihr Mann (Roland Jaeger) kann damit nicht wirklich umgehen. Pius (Karl Fischer), der ältere Sohn, gibt sich komplett verschlossen, der jüngere (Simon Jung) wird in der Schule von einem sadistischen Religionslehrer gequält.

All diese Peinzustände fotografiert Regisseur Hammel in schwarzweißen Bildern, unterschneidet manchmal alte, farbige Super-8-Aufnahmen und suggeriert insgesamt, eine Geschichte aus der Vergangenheit zu erzählen. Einer Vergangenheit, in der die Enge der Räume dominierten: Eine kleine Wohnung, ein schmales Klassenzimmer, selbst unter freiem Himmel wirken die Protagonisten wie eingesperrt; Familien-Idyll gibt es nicht.

"Folge mir“ gibt seiner collageartigen Zustandsbeschreibung auch formal einen engen Rahmen, so als dürften all die unterdrückten Gefühle keinesfalls ans Licht. Ein seltsam beängstigender Film. (Matthias Greuling)

Folge mir

A 2010. Regie: Johannes Hammel. Mit Daniela Holtz, Roland Jaeger, Karl Fischer, Simon Jung, Stadtkino. 109 Min.

Machtkritik und Mahnung

Es beginnt mit dem Geburtstagsfest von Raquel (Catalina Saavedra), dem langgedienten Hausmädchen der Familie Valdes, und es endet mit dem Geburtstagsfest von Lucy, die eingestellt worden war, um Raquel zu entlasten. Dazwischen liegt Raquels Geburt. Mit "La Nana“ wirft der chilenische Regisseur Sebastián Silva einen akkuraten Blick aufs Leben von Raquel, das für lateinamerikanische Mittelschichtsfamilien typische "Extra-Mitglied“. Fehlende Privatsphäre und lebenslange Abhängigkeit haben sie in eine mürrische Person verwandelt, die erst durch die Beharrlichkeit von Lucy begreift, dass sie ihren Job nicht mit ihrem Leben verwechseln darf. Silva, der diesen Film im eigenen Elternhaus drehte, inszeniert in kontrollierten Handkamera-Bewegungen, die in den engen Räumen viele Ein- und Durchblicke schaffen. Die wahre Leistung dieses Films liegt aber darin, dass er sich genau auf der Schwelle zwischen Machtkritik und Mahnung hält, ohne die Würde der Hauptfigur je zu verraten. (Alexandra Zawia)

La Nana - Die Perle (La Nana)

Chile 2009. Regie: Sebastián Silva. Mit

Catalina Saavedra. Polyfilm. 94 Min.

Andreas Hofer à la Monty Python

Die Geschichte von Andreas Hofer und Tiroler Freiheitskampf nimmt die Tiroler Kabarettgruppe "Die Schienentröster“ in der Low-Budget-Produktion "1810 - Für eine Handvoll Kaspressknödl“ aufs Korn. Der absurde Klamauk im Stile Monty Pythons trifft wahrscheinlich nicht den Geschmack aller. Hauptfigur ist nicht Hofer, sondern das deutsche Findelkind "Alldie“. Napoleon wird nicht mit Gewehren, sondern mit Backblechen, Gartenkrallen und Parfümzerstäubern bekämpft und die Hilfe des Kaisers aus Wien kommt als Schiff im IKEA-Selbstbauformat. Was anfangs blöd anmutet, entwickelt sich zur recht witzigen Unterhaltung. (Jürgen Belko)

1810 - Für eine Handvoll Kaspressknödl

A 2010. Regie: Die Schienentröster (Harald Haller, Daniel Lenz). Mit Harald

Haller, Daniel Lenz. Thimfilm. 102 Min.

Steinreich und saukomisch

Zu seinen Terminen erscheint er im Batmobil, er kleidet sich wie ein Zirkusdirektor und hat zahllose Damenbekanntschaften. Er zieht gut gekühlten Tequila jedem Dinner vor. Und er hat unermesslich viel Geld zur Verfügung, aber nur, wenn er brav seiner Mutter folgt: Arthur (Brit-Comedian Russell Brand) ist der Milliardenerbe einer britischen Unternehmerdynastie, doch aus Anlegersicht ein ausgesprochen schlechter Verwalter des Vermögens. Aus diesem Grund soll er die ansehnliche und finanziell hochkompetente Susan (Jennifer Garner) ehelichen. Dabei hat er sich gerade rettungslos verliebt: In die warmherzige New Yorker Fremdenführerin Naomi (Greta Gerwig).

Zwar ist der Ausgang der Geschichte vorhersehbar, doch Arthur hat trotz seines fortgeschrittenen Alters immer noch ein Kindermädchen, gespielt von Helen Mirren. Die Paarung Helen Mirren und Russell Brand ist pures Komödiengold: Sie ist in "Arthur“ in Höchstform, während er wieder einmal den nymphomanischen, versoffenen, witzigen Exzentriker spielt, irgendwo zwischen unerträglich und unwiderstehlich. Nur schade, dass für dieses fantastische Doppel keine bessere Story aufzutreiben war. (Magdalena Miedl)

Arthur

USA ’11. Regie: Jason Winer. Mit Helen

Mirren, Russell Brand. Warner. 97 Min.

Filigrane Dichterin

Poll, ein Ort, von Misstrauen gezeichnet, in diesem Juni 1914, als Oda von Siering zu ihrer Familie stößt: Auf dem Gut der deutschbaltischen Adelsfamilie beäugen einander Deutsche, Russen, Esten kritisch. Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs steht bevor, die Situation wird durch die Augen der altklugen 14-Jährigen betrachtet: Alles stirbt, alles endet, für die Tochter eines Hirnforschers wenig überraschend. Emotionen weckt erst die Begegnung mit einem estnischen Anarchisten.

Episch, nahezu größenwahnsinnig erzählt Chris Kraus von der vergessenen Literatin Oda Schaefer (1900-88), seiner totgeschwiegenen Großtante. Und von einem Ort, an dem das Böse schwelt. Das Setting, vom Haupthaus bis zu Vaters Laboratorium, ist wundervoll, ist zum drin Versinken.

So filigran das Haus an der baltischen Ostseeküste steht - nahezu auf Stelzen -, so brüchig sind Odas Bindungen. Mit beeindruckender Präsenz gibt Paula Beer die Protagonistin: Nach Hanna Herzsprung ("4 Minuten“) ist Kraus wieder eine meisterhafte Neuentdeckung geglückt. (Nicole Albiez)

Poll

D/A/EST 2010. Regie: Chris Kraus.

Mit Paula Beer, Edgar Selge, Tambet Tuisk. Filmladen. 133 Min.

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