Werbung
Werbung
Werbung

Der Zombie in uns

„Wombies“ vielmehr denn Zombies sind es, die in „Rammbock“ den Einsatz eines solchen notwendig machen: Von Wut infizierte, zu Monstern mutierte Lebende, die sich im Gegensatz zu Untoten sehr schnell bewegen, belagern den Hinterhof eines Wohnhauses in Berlin. Dort wollte Michi (Michael Fuith) seine Ex-Freundin besuchen, trifft aber nur den jungen Heizungsinstallateur Harper (Theo Trebs) an. Mit ihm wird er durch ein Fenster zum Hof Zeuge des Grauens, das so eine Wombie/Zombie-Welle eben mit sich bringt. Doch der Wiener Marvin Kren findet in seinem mittellangen Erstlingsfilm interessante Seitenpfade eines ausgetretenen Genres. In medias res setzt er die üblichen Spannungsmechanismen effektiv dosiert ein: Es dominieren Leerstellen, in denen Kren gekonnt auf immer neue Schreckensmomente lenkt. Der Blick in den Hof ist zudem ein Panoptikum aktueller gesellschaftlicher Abhängigkeiten; Zombies wie Wombies sind Metaphern sozialer Verwandlung, eines kollektiven, potenziell gefährlichen Unbewussten. Ganz bewusst hat das ZDF „Rammbock“ für „Das kleine Fernsehspiel“ mitproduziert – um „Youngsters“ zu locken. (Alexandra Zawia)

Rammbock

D/A 2010 Regie: Marvin Kren.

Mit Michael Fuith, Theo Trebs, Anka Graczyk, Emily Cox.

Verleih: Poool.

63 Min.

Einsamer Scherzkeks

Das Genre der Filmpersiflagen muss inzwischen den Vergleich mit einem Ertrinkenden ertragen. Vor dem längerfristigen Untergang darf es noch einmal mit „Beilight“ nach Luft schnappen – aber auch nur, weil selbst die Abfälle der Vampir-Manie Geld verheißen. Sklavisch hält sich das Produkt der industriellen Durch-den-Kakao-Zieher Jason Friedberg und Aaron Seltzer an die ersten beiden „Twilight“-Filme. Allem Geeigneten und Ungeeigneten werden Pointen abgerungen, und wenn die Vorlage gerade nichts hergibt, sind es Jugendkulturthemen von vor einem Jahr, die veralbert werden. Inmitten von Fans, die es wenig lustig finden, als hysterischer Mob abgebildet zu sein, und Nicht-Fans, die desinteressierter nicht sein könnten, geht es hauptsächlich darum, billigste Witze zu dreschen – und, ignoriert von der Welt wie selbst die Welt ignorierend, darüber zu kichern. (Thomas Taborsky)

Beilight – Biss zum Abendbrot (Vampires Suck)

USA 2010. Regie: Jason Friedberg, Aaron Seltzer. Mit Jenn Proske, Matt

Lanter. Verleih: Centfox. 82 Min.

Patrioten in der Krise

Der Patient Griechenland ist eine schäbige Straßenkreuzung – geht es nach Fillipos Tsitos und seiner Tragikomödie „Kleine Wunder in Athen“. Genau dort, vor einer kundenlosen Trafik, bauen tagtäglich Besitzer Stavros und seine Freunde ihre Gartenstühle auf, trinken Bier, schwelgen in Erinnerungen an Zeiten, als sie noch Stadien auseinandernahmen, und pöbeln bevorzugt gegen die Albaner. Ausgerechnet vor ihrer Nase will die Stadt ein Denkmal für interkulturelle Solidarität aufstellen. Dem nicht genug: Stavros’ pflegebedürftige Mutter beginnt plötzlich, Albanisch zu sprechen, erkennt in dem Bauarbeiter, der neuerdings in der Gegend weilt, ihren verlorenen Sohn und macht damit auch den gestandenen Xenophoben Stavros zum Ausländer. Thematiken wie diese zu behandeln, ist in Griechenland mehr als heikel — und wird mit der nationalen Krise nicht einfacher werden. Tsitos macht es mit flottem Tempo und dem subversiven Humor zwischendurch, mit einprägsamen Charakteren und Schauspielern, deren Mienen unglaubliche Abgründe auftun. Ein kleiner, feiner Spiegel für eine ganze Gesellschaft. (Th. Taborsky)

Kleine Wunder in Athen (Akadimia Platonos)

GR/D 2009. Regie: Fillipos Tsitos. Mit Antonis Kafetzopoulos, Anastasis Kozdine. Verleih:

Polyfilm. 103 Min.

Packendes Liebesdrama

Ein Schuss durchbricht die nächtliche Stille — was genau passiert ist, bleibt unklar. So dramatisch beginnt der Film „Die Affäre“. Danach blendet Catherine Corsini sechs Monate zurück: Die 40-jährige Suzanne (Kristin Scott-Thomas) führt mit ihrem Mann (Yvan Attal) und zwei fast erwachsenen Kindern ein scheinbar glückliches Familienleben. Doch dann lernt sie den Hilfsarbeiter Ivan (Sergi Lopez) kennen, verliebt sich in ihn und fasst einen Entschluss, den ihr Mann nicht akzeptieren wird. Nüchtern und unsentimental hat Corsini dieses Liebesdrama inszeniert, treibt die Handlung vor allem am Beginn mit knappen Szenen und präzisen Dialogen rasch und konsequent voran. Motor und Zentrum ist dabei Kristin Scott Thomas, die mit ihrer Präsenz die Leinwand bis in die Ecken mit Spannung auflädt: Man sieht nicht nur, sondern spürt auch, wie diese in Wohlstand und Sicherheit nicht unglückliche, aber innerlich erkaltete Frau unter dem Einfluss Ivans aufblüht. Soziale Unterschiede spielen da keine Rolle, doch von der Liebe allein kann man nicht leben. Da überzieht Corsini dann die Schilderung männlichen Besitzanspruchs und „Die Affäre“ verliert an Glaubwürdigkeit und Intensität. (Walter Gasperi)

Die Affäre (Partir)

F 2009. Regie: Catherine Corsini. Mit Kristin Scott Thomas, Sergi Lopez, Yvan Attal. Verleih: Polyfilm. 85 Min.

Poetischer Feminismus

Im Iran der 1950er Jahre: Die Situation der Frauen ist (kaum anders als in der Gegenwart) geprägt von Unterdrückung, Demütigung und Unfreiheit. Die Befindlichkeiten vier sehr unterschiedlicher Frauen beschreibt Regisseurin und Videokünstlerin Shirin Nehat vor dem Szenario des Putsches gegen die iranische Regierung im August 1953. Trotz des realen Hintergrunds verläuft die Erzählung traumhaft-surreal, und die Grenzen zwischen Vorstellung, Realität, Tod und Leben verschwimmen. Die Poesie und die Metaphern der Romanvorlage Shahrnush Parsipurs hat die Regisseurin übernommen und in ihre eigene Filmsprache übersetzt. Ein imaginierter Garten wird für die Frauen zur Zufluchtsstätte, zu einem Ort des Exils. Doch auch dieser Fluchtpunkt bleibt letztlich nicht dauerhaft verschont. Shirin Neshat, mit „Women Without Men“ Gewinnerin des Silbernen Bären beim Filmfestival in Venedig, beeindruckt mit ihrer poetischen Erzählweise und der starken Bildsprache. Wie sie selbst sagt, fühlt sie sich im Surrealismus am wohlsten und verwendet ihn „als Strategie, um das Offensichtliche zu vermeiden und in der Kunst Zeit und Raum zu überwinden“. Eine künstlerisch ambitionierte Herangehensweise, die den Zugang für Nicht-Cineasten nicht nur einfach macht. (Ernst Pohn)

Women Without Men

D/A/F/Iran 2009. Regie: Shirin Neshat, Shoja Azari. Mit: Pegah Ferydoni, Arita Shahrzad,

Shabnam Toulouei. Verleih: Polyfilm. 99 Min.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung