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Dialoge als Stichwaffen

Was die Anziehungskraft von Jean Beckers neuestem Werk "Tage oder Stunden" ausmacht, ist klar: Es steckt eine Ungeheuerlichkeit, zugleich etwas Entfesselndes darin, wenn jemand mutwillig und abrupt die eigene sorgfältig aufgebaute Existenz abreißt. In diesem Fall ist es Antoine, ein Mittvierziger, der aus heiterem Himmel seinen lukrativen Job hinschmeißt. Abends haut er seine Ehe in Stücke, tags darauf vertreibt er höchst effektiv die Freunde aus seinem Leben. Nach einem letzten Blick auf die Kinder fährt er nach Norden, schifft sich ein, in Richtung der Hütte, in der sein entfremdeter Vater einsiedelt. Faszinierend einerseits dank bündiger Dramaturgie und Dialogen, die Stichwaffen gleichkommen, andererseits wegen Albert Dupontel, der den Film mit seiner nuancierten Darstellung trägt, so weit er kann - also genau bis zum Warum, nach dessen Auflösung man sich zu Recht genarrt fühlen darf von einem Regisseur, der seine Altbackenheit hinter einem Rätsel versteckt hat, am Schluss aber doch noch aufgeflogen ist. (Thomas Taborsky)

Tage oder Stunden. Deux jours à tuer

F 2008. Regie: Jean Becker. Mit Albert Dupontel, Marie-Josée Croze, Pierre

Vaneck. Verleih: Polyfilm. 85 Min.

Übertrieben statt überspitzt

Just an dem Tag, an dem Anne-Marie ihrem betuchten Gatten mitteilen möchte, dass sie mit einem anderen ein neues Leben beginnen wird, verstirbt er. Die Freiheit nach Jahren des Versteckspiels ist jedoch nur eine vermeintliche, denn Anne-Marie will weiterhin den Erwartungen entsprechen und gibt vor der überfürsorglichen Verwandtschaft die trauernde Witwe. Was nicht allzu gut für Wohlbefinden und Liebe ist. Aus Überspitzung versucht Isabelle Mergault in Witz zu filtern, übertreibt es jedoch maßlos, sodass ihre Komödie "Endlich Witwe" zur einfachen Posse verkommt. Die Figuren sind unzumutbar naiv gezeichnet, von Selbstbestimmung ohnedies keine Spur, der einzige Charakter in weiter Flur, der gewollt unsympathisch skizzierte Ehemann, scheidet viel zu früh dahin. Vielleicht scheiterte Mergault am Erfolgsdruck, avancierte der Vorgänger, ihr Regiedebüt "Sie sind ein schöner Mann", doch zu einem Überraschungserfolg, weit entfernt von der müden, burlesken Komödie, die sie uns nun auftischt. (Nicole Albiez)

Endlich Witwe. Enfin Veuve

F 2007. Regie: Isabelle Mergault.

Mit Michèle Laroque, Jacques

Gamblin. Verleih: Lunafilm. 97 Min.

Bissige Globalisierungs-Betrachtung

Immer mehr Arbeitsplätze werden in Billiglohnländer ausgelagert: Diese ernste wirtschaftspolitische Problematik ist der Hintergrund für John Jeffcoats netten Film "Outsourced - Auf Umwegen zum Glück", der nun auch in die österreichischen Kinos kommt. Das Call-Center eines US-Versandhauses in Seattle wird dichtgemacht, Manager Todd (Josh Hamilton) soll in Indien ein neues aufbauen. Der Durchschnittsamerikaner hat von Indien jedoch ebenso wenig Ahnung wie seine indischen Angestellten von den USA und den typisch amerikanischen Produkten, die sie verkaufen sollen. Da sind kulturelle Missverständnisse programmiert, doch mit der Zeit taucht Todd immer tiefer in das faszinierende Land ein. "Outsourced" erzählt eine schöne Entwicklungsgeschichte und eine Liebesgeschichte, ist aber auch eine bissige Betrachtung der Mechanismen, die die Globalisierung vorantreiben. Jene nämlich, deren Arbeitsplätze durch Verlagerung in Billiglohnländer verloren gehen, sind dieselben, die durch ihre "Geiz ist geil"-Mentalität Kostenreduktionen um jeden Preis erzwingen. (Michael Kraßnitzer)

Outsourced

USA 2006. Regie: John Jeffcoat. Mit Josh Hamilton. Verl.: Polyfilm. 102 Min.

Willi Weitzel geht ins Kino

Schon seit mehreren Jahren erklärt Willi Weitzel Kindern in seinen Sendungen im deutschen Fernsehen, wie die Dinge dieser Welt so funktionieren. "In Willi wills wissen" findet er als Reporter heraus, wie etwa Schokolade hergestellt wird oder folgt dem Weg eines Wassertropfens von der Quelle bis zur Kläranlage. Mit "Willi und die Wunder dieser Welt" kommt der immer neugierige Fragesteller nun auch in die Kinos und begibt sich dafür auf Weltreise. Er besucht alle Kontinente und trifft dort Leute, mit denen er über ihre verschiedenen Berufe und Lebensweisen spricht.

Im Dschungel Australiens besucht er einen deutschen Wissenschafter, der sich mit Ameisen beschäftigt, und er entdeckt in der kanadischen Arktis eine Stadt, in der wegen der vielen Eisbären eigene Eisbären-Fallen aufgestellt werden. Natürlich muss Willi auf seiner Reise auch einige Abenteuer bestehen, mit auftauchenden Krokodilen und Spinnen zu Rande kommen. Kinder, denen Willis TV-Serie gefällt, werden vermutlich auch den Kinofilm mögen. Viele neue Fans wird er durch den Film allerdings nicht dazubekommen, denn allzu originell sind die einzelnen Geschichten nicht umgesetzt. (Ernst Pohn)

Willi und die Wunder dieser Welt

D 2008. Regie: Arne Sinnwell.

Mit Helmar Willi Weitzel.

Verleih: Filmladen. 78 Min.

Der Biografie erster Teil

"Jeder Film beinhaltet fiktionale Anteile, keiner kann für sich beanspruchen, die Komplexität eines Menschenlebens rekonstruieren zu können" - mit diesem selbst ausgestellten Persilschein am Beginn von "Public Enemy No. 1 - Mordinstinkt" startet Regisseur Jean-François Richet in sein Leinwand-Abenteuer: die Biografie-Verfilmung des französischen Verbrecherkönigs Jacques Mesrine. Ein ambitioniertes Projekt: Der Gangster machte sich nicht nur durch seine Skrupellosigkeit einen Namen, seine Karriere vom Kleinkriminellen zum Staatsfeind Nummer eins ist auch mit einer gehörigen Portion "Robin Hood"-Mythos verbunden. War Mesrine ein narzisstischer Killer oder gar sozialrevolutionärer Terrorist? Teil eins des Crime-Epos-Zweiteilers (die Fortsetzung "Todestrieb" startet am 26.6.) lässt diese Frage unbeantwortet. Regie-Neuling Richet ist voll und ganz damit beschäftigt, möglichst actionreiche Schauwerte in die Handlung einzubauen, für die Charakterzeichnung seines Titelhelden (energiegeladen verkörpert von Vincent Cassel) bleibt kaum Zeit. Das Resultat: Ein "Malen nach Zahlen"-Action-Spektakel, das aufgepeppt mit der Crème de la Crème der französischen Schauspieler-Elite (Gérard Depardieu, Cécile de France) ideenlos die Stationen von Mesrines verbrecherischen Wirken abklappert. (Jürgen Belko)

Public Enemy No. 1 - Mordinstinkt (L'instinct de mort)

F/CDN 2008. Regie: Jean-François Richet. Mit Vincent Cassel, Cécile de France, Gérard

Depardieu, Roy Dupuis.Verleih: Senator.114 Min.

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