Doppelter Trittbrettfahrer
„Bridget Jones“-Klone gibt es mehr als genug. Ähnlich erging es der auch schon ein paar Mal kopierten Komödie „Die Hochzeit meines besten Freundes“. „Die Standesbeamtin“ ist nun jener Trittbrettfilm, der gleich beide Erfolgsideen vereinen will. Der Film nährt sich davon, dass der Richtige die Falsche heiraten will. In Marie Leuenberger sucht er sich aber zudem eine Hauptdarstellerin, die samt passendem Haarschnitt als Renée Zellwegers Schweizer Ebenbild durchgeht. Ein paar peinliche Situationen hineinplatziert, und ihre Rahel Hubli, Rathausbeamtin einer kleinen Gemeinde, organisiert mit verdrossen-leidender Miene die Hochzeit von Ben, altem Bandkollegen und Jugendschwarm, mit einem Filmsternchen, während ihr eigener Ehemann sie betrügt. Gerade weil Leuenberger ihre Aufgabe hinreißend meistert und auch die Pointen meist sympathisch gebracht werden, beschädigt die Kehrseite den Gesamteindruck umso mehr: Mit einfältig-übersimplen Liedchen, die andauernd geträllert werden müssen, und einer nicht immer funktionstüchtigen Inszenierung verdirbt sich der Streifen selbst jene Qualität, die greifbar gewesen wäre. (Thomas Taborsky)
Die Standesbeamtin
CH 2009. Regie: Micha Lewinksy. Mit Marie Leuenberger, Dominique Jann. Verleih: Filmladen. 90 min.
Superheld mit Ablaufdatum
Seit die Welt weiß, dass er Iron Man ist, ist Tony Stark ist ein Popstar. Er liefert den Nachrichten eine Story nach der anderen und lässt es in seiner Superheldenrüstung auf Partys krachen – doch außer ihm weiß niemand, dass ihn die Energiequelle, die ihn am Leben erhält, langsam aber sicher vergiftet.
Das ist der Ausgangspunkt von „Iron Man 2“, dem Sequel der hochgelobten Comicverfilmung, in der Robert Downey Jr. als Tony Stark in einer Hightech-Rüstung das Böse bekämpft. Diesmal tritt es in Form des peitschenschwingenden „Whiplash“ (Mickey Rourke) auf, dessen Vater einst von Starks Vater um die Früchte seiner Arbeit betrogen wurde. Ein gut gemachtes Actionspektakel, dem es aber trotz Starbesetzung und einer schauspielerischen Tour de Force Downeys nicht gelingt, aus Iron Man eine interessante Figur zu machen. Cool sein kann man auch ohne Superheldenidentität. Und ein wahrer Superheld bekämpft in erster Linie die Dämonen in sich und nicht die profanen Bösewichter, die sich ihm entgegenstellen. (Michael Krassnitzer)
Iron Man 2
USA 2010. Regie: Jon Favreau. Mit: Robert Downey Jr., Mickey Rourke, Scarlett Johansson, Gwyneth Paltrow, Samuel L. Jackson. Verleih: Constantin. 125 Min.
Abgeklärte Sicht auf eine sagenhafte Figur
Es ist 33 Jahre her, dass Ridley Scott mit „Die Duellisten“ in Cannes den Preis für den besten Erstling gewann. Dorthin kehrt er heuer zurück, um das Festival mit „Robin Hood“ zu eröffnen – als ob es noch einer Erinnerung bedürfte, dass der einstige Bildvisionär nun Name und Zugtier geworden ist. Der nebenbei längst freimütig zu Protokoll gibt, es sei Unsinn, zu sagen, es drehe sich alles um die reine Kunst; es gehe darum, wie man seinen Film verkaufe. Diese Einstellung passt zu Cannes, und „Robin Hood“ gleicht wiederum dieser Denkart: Scott entwickelt eine abgeklärte Sicht auf die sagenhafte Figur, die ihm besser in die Intrigen und Gemetzel passt, die sich rund um den Kreuzzugsheimkehrer abspielen. Vis-à-vis der sich ankündigenden Magna Carta, dem Blutzoll und den Ratten lässt es sich zwar mit dem bärbeißigen Humor anfreunden, der auch in der hemdsärmeligen Cate Blanchett als Lady Marian durchbricht, nicht aber mit Abstrusem wie der Sendungsgeschichte, an die sich Robin Longstride „erinnert“. Als Art Prolog des Gesetzlosen vom Sherwood Forest versteht sich der Film – so weit aber, dass Kerzen oder Lagerfeuer es schaffen könnten, in einem Gesicht zu flackern, geht er ungern. Dem Diktat einer modernen Legenden-Ausführung am besten anpassen kann sich klarerweise die Action. Der Rest gerät damit deutlich in Konflikt. (Thomas Taborsky)
Robin Hood
USA/UK 2010. Regie: Ridley Scott. Mit: Russell Crowe, Cate Blanchett, Mark Strong. Verleih: Universal. 140 Min
Gruselkabinett
Die Wiegenmusik säuselt Unheil: Ein weißes Kuschelhäschen schwebt durch den Korridor – direkt vor unserer Nase. Viel mehr kann Takashi Shimizu in „Schock Labyrinth 3D“ nicht mit der neuen Dimension anfangen. Ebenso weiß er nicht den ärgerlichen Knäuel an Vorwänden zu verbergen, der eine weitere Gruppe junger Leute in einem verlassenen Gebäude in Wahn und Tod treibt. Kino war einmal eine Jahrmarktsattraktion; jetzt wird sie es wieder – angesichts dieses Gruselkabinetts eine Horrorvision. (Thomas Taborsky)
Schock Labyrinth 3D
Japan 2009. Regie: Takashi Shimizu. Verleih: Constantin. 89 Min.
Nirgends willkommen
Zwei Teenager sind verliebt in einander, und die Umstände verhindern ihr Zusammensein: Mina ist seit Kurzem mit ihrer Familie aus dem Irak nach England emigriert und soll nun jemand anderen heiraten. Und Bilal (Firat Ayverdi) kann sie nicht vergessen. Also flüchtet auch er aus dem Irak und schafft es nach Frankreich – bis nach Calais. Nun ist nur mehr der Ärmelkanal zu überwinden. Die Fahrt in einem Transporter misslingt jedoch, also bleibt Bilal nur, den Kanal schwimmend zu überqueren. Der Ex-Profischwimmer Simon (Vincent Lindon, Bild) ist anfangs widerwillig, als Bilal ihn als Schwimmlehrer engagiert, doch allmählich interessiert ihn der unbedingte Überlebenswille des Flüchtlings. Das aufwühlende Drama, mit dem Regisseur Philippe Lioret („Die Frau des Leuchtturmwärters“) das Thema Immigration einem Millionenpublikum nahebrachte, hat in Frankreich sogar eine Parlamentsdiskussion um die Neugestaltung der Einwanderungspolitik in Gang gesetzt. Vielleicht schafft der wunderbare Film das ja auch in Österreich (s. Interview oben). (Matthias Greuling)
Welcome.
Frankreich 2009. Regie: Philippe Lioret. Mit Firat Ayverdi, Vincent Lindon, Audrey Dana, Derya Ayverdi. Länge: 110 Min. Verleih: Polyfilm.
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