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Party für immer

Ein weißes Klavier am Pool, vor einem Strandhaus in Florida: Hingebungsvoll spielt ein Weißbrot-Gangs-ter mit Afrozöpfchen und silberner Rapper-Zahnschiene eine Britney-Spears-Ballade. Vor ihm, im Sonnenuntergang, tanzen seine Partnerinnen "in crime“, drei Mädchen in rosa Uniform, Ringelreiher. Durch die Augen von Harmony Korine sieht Amerika vom Wahn gebeutelt aus, wenn es seinem Traum nachläuft. Hinter dem Jux-und-Tollerei-Titel seines Films "Spring Breakers“ lauert ein Frontalangriff auf eine sich selbst belügende Gesellschaft, festgemacht am Frühlingsritual der US-Studierenden. Ein bisschen zügellos sein, ein bisschen böse. Nicht ans Ende denken: Mit diesem Gedanken machen sich vier Freundinnen auf. Bald fährt die erste heulend heim. Die anderen machen weiter - kann die Party doch ewig dauern? Klischees sind genug zu sehen; Korine wendet diese gegen sich selbst. Nicht nur die tobende Montagetechnik macht den Film sehenswert, sondern auch James Franco in der kantigen Rolle des Gangsters. (Thomas Taborsky)

Spring Breakers

USA 2012. Regie: Harmony Korine. Mit Ashley Benson, Vanessa Hudgens,

James Franco. Constantin. 94 Min.

Belmondo gegen Murphy

Zu viele Filme machen glauben, ihre Figuren seien die ersten ihrer Art. In dieser Hinsicht ist "Ein Mordsteam“ eine willkommene Ausnahme: Es raufen sich zwei Charaktere zusammen, die ihre Vorstellung davon, wie ein Polizist sein sollte, auf Filmidolen gründen. So reiben sich nicht nur die Geister des Pariser Innenstadt-Karrieristen Monge und des Banlieue-Ermittlers Ousmane, sondern zugleich Belmondos "Der Profi“ und Eddie Murphys "Beverly Hills Cop“. Analog zum Konflikt Nobelbezirk kontra Problemviertel sucht sich der Film seinen Mord im Spannungsfeld Arbeitgeber-Arbeitnehmer: Die Frau eines Gewerkschaftsbosses wird tot vor einer Vorstadt-Spielhölle aufgefunden. Müßig zu sagen, welcher Seite eher die Sympathie gilt, doch die Buddy-Cop-Komödie versucht durchaus, die Oberhand überraschend wechseln zu lassen. Trotz der schönen Grundidee und eines unbekümmerten Omar Sy ("Ziemlich beste Freunde“) ist der Streifen ein herber Genuss: Pompöse Musik, ständiger Provokationshumor und das oberflächliche Heischen nach Drama reißen ihn auf das Niveau all der anderen Kalkülwerke hinunter. (Thomas Taborsky)

Ein Mordsteam (De l‘autre côté du périph)

F 2012. Regie: David Charhon.

Mit Omar Sy. Constantin. 96 Min.

Regel gegen Risiko

Der Kniff, möglichst viel Distanz zur Welt um uns zu schaffen, um dort dann eine Geschichte über sie zu erzählen, führt wieder einmal in die Urzeit: "Die Croods“ - ein Wortspiel zwischen Cro-Magnon und dem englischen Wort für Grobian - sind quasi die Nachfolger der Familie Feuerstein, nur ohne prähistorische Konsumgesellschaft. Überhaupt steht es nicht gut um sie: Nachbarn gibt es keine mehr und draußen streitet man sich mit den anderen Raubtieren ums Essen. Obwohl Vater Grug alles tut, die Seinen im Schutz ihrer Höhle zu halten, sehnt sich Tochter Eep nach mehr. So begegnet sie dem Feuer - und Guy, einem höher entwickelten Menschen, der zwar nicht mehr so robust ist, aber viele Ideen im Kopf hat. Er weiß auch, dass die Heimat der Croods untergehen wird. Wollen sie überleben, müssen sie mit ihm kommen.

Auf Wanderschaft hakt der Film die Liste der Genre-Standards ab: beim Humor etwa durch die Neuinterpretation moderner Begriffe, beim 3D wiederum durch Rutschpartien und Momente mit subjektivem Blickwinkel. Immer wieder ruft sich dabei "Ice Age“ in Erinnerung, schließlich sogar "Armageddon“, und das ist der Film auch: ein Kinder-Katastrophenabenteuer, inklusive der Mär vom Vater, der sehen muss, wie die Tochter flügge wird, und er selbst vom Held zum Hemmschuh.

Bedenklich ist dabei die neoliberale Moral, welche "Die Croods“ trommelt: Wer Regeln befolgt, stirbt; Risiko gleich Chance. Es ist eine Taktik fürs Morgen statt dem Ideal fürs bessere Morgen, verpackt in gutmütiger Komik und Augenweiden an Phantasielandschaften. (Thomas Taborsky)

Die Croods (The Croods)

USA 2013. Regie: Kirk De Micco, Chris Sanders. Centfox. 98 Min.

Ungerers Klassiker

Tomi Ungerers Kinderbuchklassiker "Der Mondmann“ ist vor bald fünf Jahrzehnten erschienen und war schon als Kurzfilm im Kino. Nun bringt der deutsche Animationsfilmproduzent Stephan Schesch gleich in seiner ersten Regie den Stoff als animierten Langspielfilm auf die Leinwand. Überzeugend, kongenial zum Buch. Dass der deutschen Fassung u.a. Katharina Thalbach, Ulrich Noethen, Ulrich Tukur sowie Tomi Ungerer höchstpersönlich als Erzähler die Stimme leihen, bürgt gleichfalls für Qualität. (Otto Friedrich)

Der Mondmann

D/F/IRL 2012. Regie: Stephan Schesch. Thimfilm. 95 Min.

Das vergessene Ich

Wer bist du? Wer ist dieser Malte? Und wer bin ich überhaupt in dieser Konstellation? - Verloren blickt die Mutter ihren Sohn David an, versteht nicht, warum Malte ihr Mann sein soll, von dem hat sie noch nie gehört. Gretel ist nicht mehr die Person, die sie früher war, die Notizzettel an der Kühlschranktür vermehren sich, sie verliert ihr Gedächtnis. Sohn David Sieveking ("David wants to fly“) hält den für die Familie äußerst schmerzhaften und für seine Mutter verunsichernden Abschied von ihrem Ich fest, der auch Alzheimer genannt wird. Durch die Veränderung ihres Geistes setzen sich ihre Familienmitglieder damit auseinander, wer diese Gretel Sieveking eigentlich war - was zu Augen öffnenden Ergebnissen führt. Dass die Dokumentation ein liebe- und zuweilen humorvolles Portrait der Mutter, der früheren Moderatorin und Politaktivistin ist, lässt die Frage, ob man das darf, so in die Intimsphäre dieser Person einzudringen, verstummen: "Vergiss mein nicht“ ist eine berührende Liebeserklärung an die früher so starke, individuelle Frau. (Nicole Albiez)

Vergiss mein nicht

D 2012. Regie: David Sieveking.

Mit Gretel, Malte und David Sieveking.

Polyfilm. 88 Min.

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