Temporeiches Remake
Ein Action-Klassiker war die „Todesfahrt der U-Bahn 123“ anno 1974, mit Walter Matthau. Ein Viertljahrhundert später wagt sich Hollywood-Starregisseur Tony Scott („Top Gun“) ans Remake. Im Thriller „Die Entführung der U-Bahn Pelham 123“ versucht der versetzte U-Bahn-Fahrdienstleiter Walter Garber (Denzel Washington), unterstützt vom Police-Lieutenant Camonetti (John Turturro) einen U-Bahn-Zug aus den Fängern einer Gang, die von einem Ex-Knacki namens Ryder (John Travolta) angeführt wird und die keine Scheu hat, eine Geisel nach der anderen zu erschießen, loszueisen. Eine temporeiche Inszenierung im Milieu der New Yorker U-Bahnen ist Regisseur Scott gelungen. Vor allem der daramtische Grundkonflikt des Plots – der nicht ganz saubere Fahrdienstleiter, ein kleines Rädchen in einem riesigen U-Bahnnetz, gegen einen Lonely Cowboy, der nichts zu verlieren hat und seine Performance daher ganz besonders brutal anlegt – besticht. Was zu einem Gutteil auch das Verdienst der beiden Hauptdarsteller Denzel Washington und John Travolta ist. (Otto Friedrich)
Die Entführung der U-Bahn Pelham 123 (The Taking of Pelham 123)
USA 2009. Regie: Tony Scott. Mit Denzel Washington, John Travolta, John
Turturro. Verleih: Sony. 106 Min.
Schrott, Sinn und Star Wars
Die meisten Komödienschreiber verkneifen sich ständig die eigene Intelligenz; für ihr Metier ist sie oftmals kontraproduktiv. In „Fanboys“, einer auch nur mäßig um Tiefgang bemühten Komödie, bricht sie dann doch durch – im allerletzten Satz: „Und wenn der Film Schrott ist?“
Diese Sinnfrage stellt sich vier Mittzwanzigern. Als bei einem von ihnen Krebs im Endstadium diagnostiziert wird, versuchen sie, in die Ranch von George Lucas einzubrechen, um „Star Wars: Episode I“ Monate vor dessen Weltpremiere sehen zu können. Das ist die Basis, auf der Jungregisseur Kyle Newman ein Schwergewicht des Insidergags ersinnt. Ohne Inhalt- und Dialogzitate, Gastauftritte einiger Originalstars sowie Star-Trek-Schmähungen etwa drei Minuten lang, führt es ältere Star-Wars-Fans in deren unbeschwerte Zeit vor 1999, vor der zweiten Trilogie; dem Rest der Welt kann das egal sein, so wie auch dieser Film.
(Thomas Taborsky)
Fanboys
USA 2008. Regie: Kyle Newman. Mit Sam Huntington, Chris Marquette, Dan Fogler, Kristen Bell, David Denman. Verleih: Einhorn. 93 Min.
Heilendes Backgammon
Weder die literarischen Wurzeln noch den Charakter der Koproduktion verleugnen kann „Die Welt ist groß und Rettung lauert überall“, Stephan Komandarevs Verfilmung des gleichnamigen Romans aus der Feder von Ilja Trojanow. Kernthema ist der Schaden, den die Repression der Ostblock-Systeme ihren Bürgern zufügte und selbst heute noch zufügt. Alexandar ist deren Sinnbild: ein Emigrantensohn, der bei einem Autounfall nicht nur seine Eltern, sondern auch die Erinnerung an das in Deutschland gefristete, unglückliche Dasein verliert. Aus der alten Heimat, aus Bulgarien, kommt indes sein Großvater angereist, der König des Backgammon, der die höchste Weisheit am Brett fand. Über das Spiel beginnt er den antriebslosen Enkel aus dem Krankenzimmer zu ziehen, hinaus auf Reisen: Sascha soll mit ihm per Tandem heimfahren.
Komandarev kann sich der Verlockung nicht entziehen, mit scharfen Kontrasten zu arbeiten: Hier die kalte Gegenwart im Exil, da das verklärte, zugleich scharfsinnige Balkanmärchen mit dem Großvater als Schelm. Glück des Films ist es, dass in genau dieser zentralen Rolle der Kusturica-Wegbegleiter Miki Manojlovi´c eine außergewöhnliche Darstellung liefert. Mit dieser veredelt er etwas, das sonst in arger Gefahr gewesen wäre, zum überanstrengten Drama zu geraten. (Thomas Taborsky)
Die Welt ist groß und Rettung lauert überall (Svetat e golyam i spasenie debne otvsyakade)
BUL/D/SLO/H 2008. Regie: Stephan Komandarev. Mit Carlo Ljubek, Miki Manojlovi´c. Verleih: Polyfilm. 105 Min.
Kindgerechter Mix
Ein Konzert ihrer Mutter bringt Laura nach China: Ihr Freund, der Stern, geht verloren, wird von einem chinesischen Mädchen gefunden und erweckt durch seinen Sternenstaub Konzert-Kostüme zum Leben: den Drachen Nian, dem eine schwarze Wolke die Nettigkeit austreiben möchte. Die Regisseure („Der kleine Eisbär“) verfrachten ihre Figuren nach Peking, wo reichhaltiges Ambiente zwischen Tradition und Moderne wartet.
(Nicole Albiez)
Lauras Stern und der geheimnisvolle Drache Nian
D 2009. Regie: Piet de Rycker, Thilo Graf Rothkirche. Pianist: Lang Lang. Verleih: Warner Bros. 74 Min.
In der Fremde, da wie dort
Es gehört immer wieder erzählt – weil es heute so unwirklich erscheint: Österreich hat türkische Gastarbeiter angeworben und die Österreicher haben die ersten Gastarbeiter mit Blumen empfangen. Das war 1964 – 45 Jahre später porträtiert der türkisch-österreichische Regisseur Kenan Kilic sieben Gastarbeiter, die in Österreich – so der Titel seines Films – über die Jahrzehnte hinweg immer noch „Gurbet“ oder „In der Fremde“ geblieben sind.
„Man hat Arbeitskräfte gerufen, und es kommen Menschen.“ Das bekannte Zitat ist auch der rote Faden in „Gurbet“. Ein Mensch sein und als solcher wahrgenommen werden – das haben sich die Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter gewünscht. Daran hat es meist in Österreich gefehlt. Angefangen von der amtsärztlichen Untersuchung, die wie eine Viehbeschau abgelaufen ist, bis hin zum Stiegenhaus, in dem die Türkin, obwohl seit Jahren dort wohnend, von niemandem gegrüßt wird. Aber auch an Unterstützung von türkischer Seite mangelt es – kein Konsulat bietet Kurse, Seminare, Treffpunkte an.
Und auch die Türkei wird für die Gastarbeiter zu „Gurbet – in der Fremde“. Was bleibt da auf einer „schnurlosen Schaukel zwischen zwei Welten“ sitzend als Resümee? „Wenn jemand zu mir jetzt Ausländer sagt, kann ich nur lächeln, sonst hab ich nichts zu sagen.“ (Wolfgang Machreich)
GURBET – In der Fremde
Österreich 2007. Regie, Drehbuch, Schnitt:
Kenan Kilic. Verleih: Polyfilm. 93 Min. Ab 21.10.
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