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Aufwühlendes Drama

Wajdi Mouawads Theaterstück "Verbrennungen“ diente als Vorlage, doch die Herkunft von der Bühne merkt man dem für den Auslands-Oscar nominierten Drama nie an. Mehr in Bildern als in Dialogen erzählt Denis Villeneuve, pendelt souverän zwischen Gegenwart und Vergangenheit, zwischen Kanada und dem Nahen Osten.

Ausgelöst wird die Handlung durch die Verlesung eines Testaments: Die beiden erwachsenen Kinder der Verstorbenen, die vor Jahren aus dem Nahen Osten nach Quebec emigrierte, sollen ihrem Vater und einem weiteren Bruder einen Brief übergeben. Irritiert sind die Geschwister, hielten sie den Vater doch für tot und von einem Bruder wussten sie nichts. Dennoch beginnt Jeanne zu recherchieren und reist in ein nicht näher bestimmtes Land im Nahen Osten, in dem seit Jahrzehnten ein grausamer Bürgerkrieg zwischen Muslimen und Christen herrscht. Schritt für Schritt deckt sie dabei die erschütternde Lebensgeschichte ihrer Mutter auf. Ungemein konzentriert und mit großer emotionaler Wucht ist das inszeniert. Villeneuve vermittelt in prägnanten und lange nachwirkenden Bildern die Auswirkungen militärischer Auseinandersetzungen auf das Individuum. Wie bei einem Puzzle fügen sich dabei zunächst lose Einzelteile zu einer aufwühlenden Familiengeschichte, die sich an der Ödipus-Tragödie orientiert. Entsetzliches kommt ans Licht, doch gerade die Aufarbeitung ermöglicht auch Versöhnung. (Walter Gasperi)

Incendies - Die Frau die singt

CDN 2009. Regie: Denis Villeneuve. Mit Lubna Azabal, Mélissa Désormeaux-Poulin. Polyfilm. 133 Min.

Unfreiwillig komisch

Fadesse kann man "Twilight Saga - Bis(s) zum Ende der Nacht, Teil 1“ nicht vorwerfen. Viel zu komisch ist diese übernatürliche Seifenoper um Bella und den Vampir Edward, ihren Werwolf-Freund Jacob und den Familien-Clans auf beiden Seiten geraten, wenn auch unfreiwillig. Klar, eingeschworene Fans der Saga werden es wenig witzig finden, dass die von einem Vampir schwangere Bella immer mehr verfällt, aber eine Filmstunde lang keiner draufkommt, was man dem ungeborenen Vampirchen denn so zuführen sollte. Der Rest des Films nach dem lang erwarteten Hochzeitsfest des ungleichen Paares, ist, wie in Seifenopern üblich, bestimmt von flachen Dialogen und vermeintlich tiefen Blicken. Ein paar Rangeleien gibt’s auch und Teil zwei 2012. (Alexandra Zawia)

Twilight Saga - Bis(s) zum Ende der Nacht, Teil 1

USA 2011. Regie: Bill Condon. Mit Kristen Stewart. Constantin, 117 Min.

Beklemmender wie betörender Amerika-Zugang

Ruth Beckermann, österreichisch-jüdische Dokumentarfilmerin von Rang, hat sich auf USA-Reise begeben. Und was sie dabei filmisch herausholt, ist nun zwei Stunden lang im Kino unter dem Titel "American Passages“ zu sehen.

Was ist aus dem durch die Wahl Barack Obamas 2008 euphorisierten Amerika geworden? Mit der Sternstunde der Wahl des ersten Farbigen zum Präsidenten beginnt die assoziative Reise durch elf Bundesstaaten, in der die Beckermann einmal mehr große Fragen und enorme Brüche einer Gesellschaft über kleine Schicksale nahebringt. Ein Roadmovie der besonderen Art, eine herbe Liebeserklärung ans Land der doch begrenzten Möglichkeiten.

Der Bogen reicht vom Irak-Veteranen mit Joint über schwarze Richterinnen, die das doppelte Stigma - Schwarze und Frau zu sein - zumindest im Erreichen ihrer gesellschaftlichen Position überwunden haben und dennoch von der Gebrochenheit einer Gesellschaft eingeholt werden. Oder ein schwules Elternpaar. Oder Las Vegas, der scheinbar personifizierte Traum vom großen Geld, und heute ein Abklatsch. Auch Frankie Boy und das Rat Pack ist längst Geschichte.

Ruth Beckermann ist eine langsame Filmerin. Nach fünf Jahren Abstinenz wagt sie diesen beklemmenden wie betörenden Amerika-Zugang. Kein Jubelbild. Aber eines, dem man sich im Kino aussetzen sollte. (Otto Friedrich)

American Passages

A 2011. Regie: Ruth Beckermann.

Filmladen. 120 Min.

Istanbuler Abbruch

Der Stadtteil Sulukule in Istanbul galt als älteste Roma-Siedlung der Welt. 2005 setzt die Stadtverwaltung den Abriss des Viertels durch - teure Apartments werden gebaut und die Roma in ein anderes Viertel umgesiedelt. Astrid Heubrandtner geht im Dokumentarfilm "Mein Haus stand in Sulukule“ diesen Entwicklungen nach: Ein ehemals bei Einheimischen wie Besuchern beliebtes Vergnügungsviertel wird zerstört - und und ein über Jahrhunderte gewachsenes soziales Netzwerk der Roma verschwindet … (red)

Mein Haus stand in Sulukule

A 2010. Regie: Astrid Heubrandtner

Poool. 94 Min.

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