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Schwaigers Torero-Denkmal

Ernest Hemingway („Tod am Nachmittag“) hat ihn ebenso gepriesen wie Roland Barthes („Es ist nicht der Sieg des Menschen über das Tier …, es ist der Sieg über die Unwissenheit, die Angst und die Notwendigkeit“). Nun setzt dem Stierkampf der österreichische Dokumentarfilmer Günter Schwaiger mit „Arena“ ein neues Denkmal. Schwaiger begleitet Kinder und Jugendliche bei der „Ausbildung“ zum Stierkämpfer und bittet auch die Star-Toreros von heute vor die Kamera, um Phänomen und ungebrochener Faszination der Corrida nachzuspüren. Ebenso wie bei seinem Porträt eines in Spanien unbehelligt lebenden, uneinsichtigen SS-Mannes („Hafners Paradies“, 2007) nimmt sich Schwaiger einer hierzulande schwer verständlichen Facette der spanischen Gesellschaft an. Einmal mehr gelingt es ihm, Betörung wie Beklemmung auszulösen: Man erhält durch „Arena“ unnachahmliche Einblicke in eine fremde, atavistische Welt – und vermag diese dennoch ganz und gar nicht zu verstehen, etwa wenn schon Kinder gegen einjährige Jungstiere (oder sollte man besser „Kälber“ sagen) in die Arena gelassen werden, auf dass sie einmal Matadore werden mögen …

(Otto Friedrich)

Arena

A/E 2009. Regie: Günter Schwaiger.

Verleih: Mosolov-P. 105 Min. Ab 4.3.

Marshalls Fellini-Hommage

In pointierter Weise philosophiert ein italienischer Meisterregisseur im Rahmen einer Pressekonferenz über das Wesen des Films. Er philosophiert, aber eigentlich improvisiert er. Denn das Script zum in zehn Tagen beginnenden Dreh besteht aus einem leeren Blatt Papier, Guido Contini laboriert an einer ausgemachten Schaffenskrise. Tagträume und ein Übermaß an Frauen sollen der Regieblockade ein Ende bereiten.

Rob Marshalls Musical-Hommage an Federico Fellini, ein „8 1/2“-Verschnitt, versammelt in erster Linie Namen: Daniel Day-Lewis vs. Marion Cotillard (als Gattin), Penélope Cruz (Geliebte), Sophia Loren (tote Mutter), Judi Dench (Kostümbildnerin) oder Nicole Kidman (Muse). – Namen, die über den blassen Plot hinweg helfen sollen. Das Erfolgsrezept – Stars, ein Broadway-Hit und ein musicalerprobter Regisseur („Chicago“) – will nicht aufgehen. Atmosphäre und Tiefgang werden verhindert – von einer losen Aneinanderreihung von teils schnöden Revuenummern.

(N. Albiez)

Nine

USA/I 2009. Regie: Rob Marshall. Mit Daniel Day-Lewis, Marion Cotillard, Penélope Cruz, Judi Dench, Nicole Kidman, Sophia Loren. Verleih: Constantin. 109 Min.

Scorseses nächster Streich

Böse Zungen behaupten, die Uraufführung von Martin Scorseses jüngstem Film „Shutter Island“ sei vom Oktober des Vorjahres auf Februar dieses Jahres verschoben worden, um dem Regisseur eine Blamage bei der Oscar-Verleihung zu ersparen. Der mit Film-Noir- und Horror-Elementen angereicherte, jüngst auf der Berlinale uraufgeführte Psychothriller ist sicherlich kein Meisterwerk, aber dank seiner stimmigen Atmosphäre und der tollen Darsteller durchaus sehenswert.

Wir schreiben das Jahr 1954. Eine abgelegene Insel mit einer Anstalt für geistesgestörte Gesetzesbrecher. US-Marshal Teddy Daniels (Leonardo DiCaprio) soll das unerklärliche Verschwinden einer Kindsmörderin untersuchen. Doch die Ermittlungen gestalten sich schwierig: Er und sein Partner (Mark Ruffalo) werden auf Schritt und Tritt überwacht, die Kooperationsbereitschaft der Psychiater (Ben Kingsley, Max von Sydow) und des Personals ist äußerst gering. Außerdem wird der von seinen Erlebnissen bei der Befreiung eines deutschen Konzentrationslagers und vom gewaltsamen Tod seiner Frau traumatisierte Justizbeamte zunehmend von Alpträumen und Halluzinationen geplagt. Hinzu kommt auch noch, dass der Mörder seiner Frau just auf Shutter Island untergebracht sein soll.

Schnell wird klar, auf welche Alternativen die Story hinausläuft: Soll der Ermittler in den Wahnsinn getrieben werden, weil er grausamen Experimenten skrupelloser Psychiater auf die Schliche zu kommen droht? Oder ist er selbst geisteskrank und hat sich in einer Wahnvorstellung verfangen? Die Antwort bleibt natürlich bis zum Finale offen. Bis es soweit ist, lässt Scorsese seinen leidgeprüften Protagonisten immer tiefer in die geheimnisvollen Verliese der Klinik und in die Tiefen seines eigenen Unterbewusstseins eindringen. (Michael Kraßnitzer)

Shutter Island

USA 2010. Regie: Martin Scorsese. Mit Leonardo DiCaprio, Ben Kingsley, Michelle Williams, Mark Ruffalo, Max von Sydow. Verleih: Constantin. 138 Min.

Gebrüder Hughes’ Endzeit

Ein verheerender Krieg hat die USA verwüstet. Über zwei Jahrzehnte später kämpfen die Überlebenden um die wenigen Wasservorräte. Marodierende Banden verbreiten Angst und Schrecken inmitten der Trümmer, die von unserer Zivilisation übrig geblieben sind. Mit „The Book of Eli“ ist Albert und Allen Hughes ein atmosphärisch überzeugender Endzeit-Thriller gelungen: die Vision einer kalten, leblosen Welt, in der nur noch das Recht des Stärkeren herrscht. Leider jedoch entpuppt sich die Story als ziemlich hanebüchen: Wie eine biblische Gestalt mit Nahkampfausbildung zieht Eli (Denzel Washington) gen Westen, im Gepäck ein geheimnisvolles Buch. Man ahnt: Es ist das letzte verbliebene Exemplar der Heiligen Schrift, für das sich bald auch Finsterlinge interessieren. Ein Warlord (Gary Oldman) versucht, die Bibel in seinen Besitz zu bekommen, weil er sich dadurch Macht über andere verspricht. Doch gegen einen von Gott selbst gesandten Propheten muss das Böse unterliegen. Am Ende ist die Bibel für künftige Generationen bewahrt.

Bizarr: Das meistgedruckte Buch des Kontinents ist verschollen, aber Dan Browns „Da Vinci Code“ hat die Apokalypse überstanden. (Michael Kraßnitzer)

The Book of Eli

USA 2010. Regie: Albert und Allen Hughes. Mit Denzel Washington, Gary Oldman, Mila Kunis, Jennifer Beals, Tom Waits. Verleih: Tobis. 98 Min.

Drama eines rasenden Stillstands

Der aus Lilienfeld (NÖ) stammende Autor Martin Prinz (Jahrgang 1973) debütierte mit „Der Räuber“, einer literarischen Bearbeitung der Geschichte des „Pumpgun-Ronnie“: Von 1977 bis 1988 sorgte ein Bankräuber – mit Ronald-Reagan-Maske – für Aufsehen. Johann Rettenberger (Andreas Lust), so sein Name im Film, beraubte aber nicht nur Banken (an einem Tag etwa drei), sondern lief auch Marathon. Und zwar sehr erfolgreich. Johann Kastenberger, so der tatsächliche Name, gewann zahlreiche österreichische Volksläufe und ist bis heute Rekordhalter des Kainacher Bergmarathons. Einmal überholte er bei einem Lauf Prinz, der in seiner Erzählung die letzten vier Tage des Kriminellen schildert. Auf der Flucht vor der Polizei – in der Rennweger Kaserne sprang er aus dem ersten Stock – durchleidet er die „Einsamkeit des Langstreckenläufers“.

Dem Buch vorangestellt ist ein Motto von Franz Kafka: „Ich werde mich nicht müde werden lassen.“ Doch irgendwann muss ein Leerlauf auch zum Stillstand kommen, „erlöst“ eine letale Verletzung den Ruhelosen? Dankenswerterweise wird ein moralischer Diskurs – die Frage nach der Motivation der verbrecherischen Handlungen – ausgespart. Materielle Not scheint jedenfalls nicht der Antrieb gewesen zu sein.

Im Zusammenspiel von Andreas Lust (zuletzt an der Seite von Ursula Strauss in „Revanche“ und in der TV-Serie „Schnell ermittelt“ zu sehen) mit Franziska Weisz (seit „Hotel“ endlich wieder für eine plastische Hauptrolle besetzt) als Freundin des „Läufers mit der Maske“ (ein Reagan-Zitat und somit eine unnötige Patina wird vermieden), wird das zutiefst menschliche Drama eines rasenden Stillstandes bzw. (in der Hauptsache emotionalen) „Nichtankommenkönnens“ durchlaufen.

Prinz, auch der Lauftrainer Lusts, fiktionalisierte die Kriminalgeschichte und bearbeitete nun sein Buch mit dem jungen Tübinger Regisseur Benjamin Heisenberg. Der Film überzeugte bei der Berlinale 2010 Publikum und Kritik, wenn auch leider nicht die Preis-Jury (siehe Artikel oben). (Rudolf Preyer)

Der Räuber

D/A 2010. Regie: Benjamin Heisenberg. Mit Andreas Lust, Franziska Weisz. Verleih: Thimfilm. 90 Min.

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