Filmemacher als Familie

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Das siebte Filmfest Crossing Europe in Linz kämpft ums Budget – bietet aber ein Spitzenprogramm.

Im Jahr eins nach der Kulturhauptstadt Linz09 wird es hart: Das wusste die Intendantin des Filmfestivals Crossing Europe, Christine Dollhofer, schon im Vorjahr. Drei Jahre lang konnte das Festival auf finanzielle Unterstützung durch Linz09 vertrauen. Doch heuer, bei der siebten Ausgabe des Festivals, ist das Budget wieder signifikant geschrumpft, auf nur mehr 440.000 Euro – ein Bruchteil dessen, was anderen Festival dieser Größenordnung zur Verfügung steht. Die Budgetknappheit merkt man dem gewohnt hochkarätigen Programm aber nicht an: 117 Filme aus 25 Ländern werden an fünf Tagen in Linz zu sehen sein. Bei der Eröffnung Dienstagabend zeigt Dollhofer parallel vier unterschiedliche Filme, die stellvertretend für das gesamte Festival stehen können.

Da ist einmal das russische Arktis-Drama „How I Ended This Summer“, dessen zwei Hauptdarsteller bei der Berlinale mit Silbernen Bären ausgezeichnet wurden. Dass Regisseur Alexei Popogrebsky den Film zur österreichischen Premiere nach Linz begleitet, bestätigt einen Grundsatz des Festivals: Die Diskussion zwischen Filmemachern und Publikum steht im Vordergrund bei den Filmen, die Dollhofer nach Linz holt. Die allermeisten von ihnen haben keinen Verleih in Österreich, hier bietet sich also eine einzigartige Gelegenheit, diese Filme auf der Leinwand zu sehen.

Zwischen Moderne und Rückzug

Zweiter Eröffnungsfilm ist „On the Path“ der bosnischen Autorenfilmerin Jasmila ®baniæ: Sie erzählt ein Beziehungsdrama zweier Kriegswaisen zwischen Moderne und Rückzug in die islamische Tradition. ®baniæ steht damit für jenes gesellschaftspolitische Kino, das dem Linzer Festival so wichtig ist – und sie ist eine jener Filmemacherinnen, die bereits einmal hier waren und die gerne wiederkommen, um die Weiterentwicklung ihres Schaffens zu demonstrieren.

Ein weiterer Eröffnungsfilm ist „Es muss was geben“, der sich unmittelbar mit dem Austragungsort des Festivals auseinandersetzt: Die wunderbare Doku der Oberösterreicher Christian Tod und Oliver Stangl basiert auf dem gleichnamigen Sachbuch über die legendäre Linzer Musikszene seit den 1970ern, mit Protagonisten wie Texta, Attwenger, Willi Warma und vielen anderen. „Es muss was geben“ passt einerseits zur „Local Artists“-Programmschiene für Filmemacher aus Oberösterreich, und auf der anderen Seite zum Underground-Musikschwerpunkt von Crossing Europe.

Der vierte Eröffnungsfilm verdeutlicht einen weiteren Grundsatz des Festivals: Manchmal reicht das filmische Europa weit über das geografische Europa hinaus. So kommt es, dass mit „Vengeance“, dem neuen Film von Kultregisseur Johnnie To, ein Film Noir aus Hongkong gezeigt wird, mit keinem Geringeren als Johnny Hallyday in der Hauptrolle als ehemaliger Auftragskiller. „Vengeance“ ist gleichzeitig Teil der Programmschiene „Nachtsicht“, die ausgewählte Horror- und Thrillerproduktionen zeigt. In dieser Reihe kommt übrigens auch Werner Herzogs schräges Mutter-Morddrama „My Son, My Son, What Have Ye Done“ zur Erstaufführung im deutschsprachigen Raum, eine höchst seltsame Variation des Genres Polizeithriller, mit Starbesetzung und rosa Flamingos im Vorgarten.

Gespür fürs Autorenkino

Dollhofer zeigt ein feines Gespür für europäisches Autorenkino, was umso spannender ist, als es immer schwieriger wird, von nationalem, etwa österreichischem oder französischem Kino zu sprechen: Finanzielle Verquickungen quer über die Grenzen hinweg sind unerlässlich für viele Produktionen. Genau hier will Crossing Europe nicht nur Echokammer sein, sondern auch Geburtsstätte: Die Intendantin Dollhofer will allmählich eine „Familie von Filmemachern“ heranwachsen lassen, die sich in Linz kennenlernen, gerne wiederkommen und im besten Falle auch miteinander arbeiten.

Seit sieben Jahren nun wird Linz einige Apriltage lang zu einem Ort, an dem man sich über neue Tendenzen im jungen europäischen Film informieren kann, ob das Preisträger sind wie der türkische „Honig“ (Goldener Bär), politisch heiß umstrittene Filme wie „Francesca“ über rumänische Migrantinnen in Italien oder mit Hochspannung erwartete Erstlingsregiearbeiten wie „The Unloved“ der britischen Starschauspielerin Samantha Morton. Damit steht Crossing Europe für eine Kontinuität der Weltoffenheit in der Kulturstadt Linz – auch abseits von Sonderveranstaltungen.

www.crossingeurope.at

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