Wer kann ausschließen, daß die SPÖ, um an der Macht zu bleiben, und Haider, um an die Macht zu kommen, übermorgen eine solche Koalition eingehen - dann nämlich, wenn sich die große endgültig erschöpft und eine Form der kleinen Koalition spruchreif wird? SPÖ und FPÖ könnten sich dann auf ein ähnliches Wählerpotenzial stützen und die Sorge um dieses gemeinsam tragen. Jedenfalls muß die ÖVP achtgeben, daß ihr nicht ein zweites Mal widerfährt, was seinerzeit Klaus von Kreisky angetan wurde: daß ihr die FPÖ als Koalitionspartner von der SP weggeschnappt wird.
Doch noch ist es nicht so weit und es muß auch nicht so weit kommen. Schließlich sollte man nicht vergessen, daß es auch noch die ÖVP gibt. Sie verfügt in der Person von Ursula Stenzel über eine Persönlichkeit, die, wenn sie noch an Härte und Konturen gewinnt, [] eine österreichische Margaret Thatcher, in welcher Funktion immer, werden und auch mit Jörg Haider fertigwerden könnte, so wie sie Franz Vranitzky zusammen mit Jörg Haider in den Schatten gestellt hat.
Noch hat die große Koalition eine kleine Chance und eine kurze Zeit, um ihre Überlebensfähigkeit zu beweisen. Nimmt sie diese Chance nicht wahr, indem sie überzeugende Taten setzt oder mit einer Änderung des Wahlrechtes [ ] Alleinregierungen [ ] den Weg ebnet, wird kein Weg an einer kleinen Koalition, damit aber auch an Jörg Haider, vorbeiführen. Nr. 44 /31. Oktober 1996
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