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Alfred Hrdlicka, dem Oppositionellen aus Österreich, zum 75. Geburtstag.

Wie ein dem Gegenständlichen verpflichteter Fels stand er jahrzehntelang in der Brandung der österreichischen Abstraktionsbewegung, trotzdem feiert er nun ein dreiviertel Jahrhundert: Alfred Hrdlicka. Mit markanten Sprüchen und provokanten Kunstwerken zog der Bildhauer, Grafiker und Maler gegen die Verfehlungen der Ungegenständlichkeit zu Felde. In einer Hommage an Albers' Quadrate bezog er das "Öl" nicht auf die Technik der Bilder, Öl auf Leinwand, sondern auf den Zustand des Malers, der beim Schaffen wohl "im Öle" gewesen sein muss. Auch anderen ging es nicht besser. Eine ähnliche Verbindung baut er zwischen Duchamp und dessen "Kunstwerk", dem "Flaschentrockner": "Denn im Grunde meines Herzens und ohne weiteren Vorbehalt konzediere ich es jedem Flaschentrockner, sich zur Hebung seiner gesellschaftlichen Reputation Kunstwerk' auf die Visitenkarte drucken zu lassen, und jeder Flasche, Künstler zu sein".

Zwangsgetaufter Atheist ...

Von Unterhaltungswert auf hohen Niveau waren auch seine Streitgespräche mit Beuys, ob denn nun tatsächlich jeder ein Künstler sei. In "Roll over Mondrian" füllt er die strengen Farbflächen von Mondrian wieder mit gegenständlichen Szenen, führt sie wieder einer naturalistischen Sinnhaftigkeit zu. Schließlich habe er noch nie eine geometrische Figur tanzen gesehen, "von der Fülle des Lebens hat die Abstraktion nichts begriffen", ist sein Fazit. Und aufs Leben möchte er in der Kunst auf keinen Fall verzichten.

Der erklärte Atheist und Marxist ist zur Zeit des Austrofaschismus aufgewachsen, wurde "zwangsgetauft" und verblieb seit damals in einer kritischen Position gegenüber der institutionalisierten Religion, die nur all zu oft bloß auf Macht aus war. Gleichzeitig ist sein gesamtes Schaffen voll gepackt mit religiösen Themen, die Auseinandersetzung mit dem Christentum für einen Atheisten mehr als auffällig. Er zieht die Lektüre des Ersten Testaments sogar den Kapitalismusanalysen von Marx vor, die biblischen Texte sind für ihn die Geschichte der Menschheit, die mit derart viel Anschaulichkeit und Weisheit gespickt sind, dass er darüber den "lieben Gott aus den Augen verliert". Noch nicht genug damit, die Assoziationen werden noch gesteigert. Sein Diktum "Alle Macht in der Kunst geht vom Fleisch aus" verwurzelt er in der christlichen Vorstellung der Inkarnation: "Die Inkarnation, die Fleischwerdung, d.h. die Vorstellung der Christen, dass Gottes Sohn Fleisch wird, ist für mich als Künstler mein Credo." Die gesamte abendländische Kunst knüpft an diese Inkarnation an und bleibt daher einer naturalistischen Darstellungsart verpflichtet - eine Tradition, in der sich Hrdlicka selbst sieht.

Die kritische Distanz zum Christentum bleibt dennoch gewahrt. Denn der Marxismus als Weltreligion behält die Oberhand im Blick auf die Welt, auch wenn die christliche Botschaft mit hineinverpackt ist. Was bleibt, ist tiefer Respekt vor all jenen, die sich vorbehaltlos den christlichen Ansprüchen verpflichtet wussten. Da schafft dann auch der Atheist Hrdlicka - finanziert durch seinen Galeristen - dem Landpfarrer Dr. Gruber, der von den Nazis bestialisch zu Tode gefoltert wurde, in Form einer Grafikmappe ein Denkmal.

... mit religiösem Interesse

Außerdem gibt es neben dem christlich gefärbtem Blick auch noch den "heidnischen" Zugang. Die Figur des Marsyas, ein Blasphemiker wie Hrdlicka selbst auch, gibt ebenfalls entscheidende Impulse. Und in Abwandlung des kulinarischen Dreiecks von Claude Lévi-Strauss, der in seinen ethnologischen Analysen zwischen rohem, gekochtem und gebratenem Essen unterschieden hat, gibt es auch bei Hrdlicka eine Dreiheit aus "Kunst=Fleisch", "geiles Fleisch=Natur" und "geschundenes Fleisch=Ideologie".

Mit seinem Hang zur Pornografie und seinen sadistischen Einlagen hat er es seinen christlichen Interpreten nicht immer gerade einfach gemacht, so berechtigt seine Berichtigungsversuche auch sein mögen. Aber gerade wegen seiner Spritzigkeit und dem klaren Scharfblick seiner Arbeiten kann und muss man sich ihn noch lange Jahre als Gesprächspartner wünschen.

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