Flüchtig zu Papier gebracht

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Ernst Caramelle besticht mit kleinformatigen Zeichnungen und formal strengen Aquarellen im Schwazer Rabalderhaus, dessen Ambiente ihm für seine Blätter behagt.

Ernst Caramelle, Rektor der Kunstakademie in Karlsruhe, mit Lebensräumen ebendort, aber auch in Frankfurt und New York, hat sich und seine Kunst noch nie schubladisieren lassen. In Hall in Tirol geboren, in der Glasfachschule Kramsach zum Glasmaler ausgebildet, studierte er in Wien Industriedesign und Grafik, bevor er nach Cambridge wechselte und sich fortan der Internationalität hingab und -gibt.

In Wien wird diese Woche seine Wandarbeit für die Kunstpassage am Karlsplatz "eröffnet“, was auch gleich der Link zu Tirol ist. Denn hier sieht man in der kleinen, aber feinen Ausstellung von Zeichnungen auch ein "Modell“ der Arbeit vom Karlsplatz. Wer dabei an etwas Ähnliches wie ein Architekturmodell denkt, wird sich allerdings wundern, denn - typisch für Caramelle - er hat das Modell in einem Schächtelchen nach Tirol gebracht und einen schmalen Papierstreifen, 40 x 25 x 3 Zentimeter, daraus hervorgezaubert: voilà, das Modell vom Karlsplatz im Maßstab 1:100.

Ausgebreiteter Alltag

Alle kunstaffinen Tiroler werden nun in der nächsten Zeit nach Wien pilgern und den Karlsplatz frequentieren, denn zuletzt war Caramelle in Tirol nur spärlich vertreten. Vor fünf Jahren ist man in der Taxisgalerie und vor mehr als zehn Jahren in der Galerie Zeitkunst von Ferdinand Maier in Kitzbühel in den Genuss einer großen Wandarbeit gekommen.

Den oft temporären Wandarbeiten stehen nun die Zeichnungen gegenüber und demonstrieren überdeutlich eine ganz andere Seite des Künstlers, der mit seinen Lichtarbeiten oder auch mit der in den frühen 1970er Jahren entstandenen Videoarbeit " Video - Ping-Pong“ auf imaginäre Räume und das Hinterfragen des Faktors Zeit setzte. Hier breitet er auf kleinen bis kleinsten Stücken Papier seine ganze Ideenwelt aus und lässt den Betrachter zumindest im Ansatz nachvollziehen, worum sich das Universum des Ernst Caramelle manchmal zu drehen vermag. Der Alltag wird ausgebreitet, Spekulationen gewinnen Raum und werden manchmal auch ganz witzig kommentiert. Wer bei den Wandarbeiten oder den Lichtblättern vielleicht auch einen dekorativen Aspekt sieht, wird bei den Zeichnungen auf Inhalte reduziert - und die muss man sich dann als Betrachter erarbeiten. Die Aquarellminiatur einer großen Wandarbeit - "Wallpainting (pocketsize)“ (2011) - zählt genauso dazu wie etwa "Landschaft (vorüberziehend)“ aus dem Jahr 1985, bei der ein Haus Füße bekommen hat und an einem im Garten sitzenden Menschen vorbei zu wandern scheint. Subtiler Humor auch bei einem Aquarell mit dem Titel " endlich etwas realistisches!“, bei dem ein altmodischer Frauenkopf wie ein Luftballon in lichte Höhen entschwebt. Das "Haus mit zum Glück nicht gebautem Brunnen“ oder die Fragestellung "Was macht ein Werk zur Kunst?“ sind auch Beispiele für die bunte Mischung an gezeichneten Ideen. Narratives und Wortspielereien wechseln sich ab mit visuellen Raumkonzepten im Kleinformat oder Entwürfen für Einladungskarten. Fast alles fein säuberlich in Vitrinen positioniert. Eine altmodische Präsentationsart, die Caramelle offensichtlich als dem Rabalderhaus entsprechend empfand. Dazwischen aber dann wieder ein "Querschläger“, ein kleines Aquarell, einfach direkt, ohne Rahmen, ohne Schutz, auf die Wand geklebt. Ganz lässig, quasi en passant.

"Schlaues Understatement“

Peter Weiermaier hat nicht erst ein Mal festgestellt, dass er Ernst Caramelle für einen "Meister des schlauen Understatements“ hält. Dazu zählt wohl auch die Art, wie er mit seiner Kunst umgeht. Andererseits, ganz so locker, wie er sich gibt, ist er dann doch nicht, denn in Schwaz hat er seine Blätter alle selbst arrangiert und gehängt, und für eine Ausstellung werden selbstverständlich auch die Einladungskarten und Kataloge von Caramelle persönlich gestaltet. Dazu hat er einmal angemerkt, dass er stets etwas "schaffen will, was dem jeweiligen Medium gerecht wird - egal ob es eine Ausstellung, eine Einladungskarte oder ein Katalog ist“ - nicht nur das reine Kunstwerk hat also seine Aufmerksamkeit verdient. Oder wird hier die Frage schlagend: "Was macht ein Werk zur Kunst?“?

Eine Frage übrigens, die man irgendwann beantworten wird können, wenn man sich die Sammlung der "Fundação de Serralves - Museu de Arte Contemporânea“ in Porto anschaut, denn dieses Museum für Zeitgenössische Kunst hat Caramelle in seiner Sammlung.

Ernst Caramelle

Rabalderhaus Schwaz

bis 26. Oktober, Do-So 16-19 Uhr

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