Fokus Energie-Revolution

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2030 sollen alle Menschen Zugang zu Strom haben, der Anteil der erneuerbaren Energien soll angehoben werden. Ein Treffen in Wien ab 28. Mai soll die Weichen stellen.

Dass Energie ein höchst politisches Thema ist, wissen wir spätestens seit den Erdölkrisen der 70ger Jahre des 20. Jahrhunderts. Dass extreme Armut nicht überwunden werden kann ohne Zugang zu modernen Energiedienstleistungen, darauf hat sich die Entwicklungszusammenarbeit zumindest seit der Nachhaltigkeitskonferenz in Johannesburg 2002 verständigt. 20 Jahre nach dem Erdgipfel von Rio 1992, geht es nun darum, gemeinsam ein neues nachhaltiges Programm für eine Welt zu erarbeiten, auf der bald neun Milliarden Menschen leben werden. Entsprechend der Rolle als internationales Zentrum der Energie-Diplomatie, in die Wien zunehmend hineingewachsen ist, wird sich das Vienna Energy Forum 2013 (28. bis 30. 5.) dafür einsetzen, dass Energie in diesem Rahmen ausreichend Berücksichtigung findet.

Die Antworten auf die Frage, wie Energie dazu beitragen kann, dass sich die Entwicklung der Weltgesellschaft nachhaltiger gestaltet, werden aus zwei Richtungen erwartet. Zum einen wird sich die Initiative "Sustainable Energy for All“ (SE4ALL) als ein Motor präsentieren, der drei ambitiöse Ziele erreichen will: bis 2030 sollen alle Menschen auf der Welt Zugang zu Strom und zu effizienten Kochgelegenheiten haben; die Steigerungsraten der Energie-Effizienz sollen verdoppelt und der Anteil der Erneuerbaren Energien am End-Energie-Verbrauch sollen von derzeit etwa 16 Prozent auf 30 Prozent angehoben werden.

Transformation der Systeme

"Sustainable Energy for All“ wurde im September 2011 von UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon lanciert, auch weil offensichtlich wurde, dass rechtliche Fortschritte beim Klima-Schutz nur gelingen werden, wenn es auch reale Fortschritte in der Transformation der Welt-Energie-Systeme gibt. Die Initiative erfreut sich der vollen Unterstützung der Weltbank, der Europäischen Kommission, aller relevanten internationalen Organisationen und vieler großer Firmen. Fast 70 Länder haben sich bereits offiziell zu ihr bekannt. Rückendeckung kommt auch - auf allgemeine Art - von der UN-Generalversammlung, die das Jahrzehnt von 2014 bis 2024 zur Internationalen Dekade für Nachhaltige Energie erklärt hat. Geleitet wird "Sustainable Energy for All“ vom derzeitigen UNIDO-Generaldirektor Kandeh Yumkella, der sich ab Juli ausschließlich der Leitung der Initiative widmen wird. Unterstützt wird er von einem internationalen Team mit Sitz in Wien.

Das Vienna Energy Forum wird auch die globale Konsultation fortführen, die nach monatelangen on-line-Diskussionen einen ersten Höhepunkt Anfang April in Oslo erreicht hatte. Bei einem hochrangigen Dialog einigte man sich darauf, dass das Entwicklungsparadigma für die Zeit nach 2015 jedenfalls Energie berücksichtigen müsse; es wurde vorgeschlagen, sich auf das Ziel "nachhaltige Energie für Alle“ zu einigen. Dieses Oberziel würde durch "Sustainable Energy for All“ konkretisiert und durch messbare Indikatoren nachverfolgbar gemacht werden.

Da Energie mit praktisch allen relevanten Entwicklungsdimensionen verquickt ist, bietet es sich an, die Indikatoren mit Fortschritten bei der Wasser- und Ernährungssicherheit, der menschlichen Gesundheit, der sozialen Entwicklung und diversen ökologischen Achtsamkeitsbereichen zu verbinden.

Gemeinsam mit der Internationalen Energie-Agentur (IEA) wird die Weltbank beim Wiener Energieforum einen grundlegenden Bericht hinsichtlich der drei "Sus-tainable Energy for All“ -Bereiche vorstellen und die Methodologie vorführen, die es ermöglichen soll, Fortschritte zu dokumentieren und die Einhaltung der Zusagen zu überprüfen.

Besonderes Augenmerk wird das Wiener Energie-Forum auf die Rolle von Städten, unter aktiver Mitwirkung der Stadt Wien, und von öffentlich-privaten Partnerschaften legen. Die Möglichkeiten regionaler Kooperationen werden anhand der westafrikanischen Region aufgezeigt. ECOWAS verfügt seit rund drei Jahren über ein eigenes Zentrum für Erneuerbare Energien und Energie-Effizienz; diese Zentrum hat erfolgreich darauf hingearbeitet, dass die 16 Staaten der ECOWAS-Region im Oktober 2012 gemeinsame Politiken zu Erneuerbaren Energien, Energie-Effizienz, Wasserkraft und Bio-Treibstoffen verabschiedeten. Damit ist West-Afrika die erste Region, die nationsübergreifende Energiepolitiken hat, was sich - angesichts des hohen Ausmaßes der Globalisierung des Energiesektors - jedenfalls positiv auswirkt. So positiv, dass die Ostafrikanische Region und die Region des südlichen Afrikas nunmehr das Modell kopieren und an die Gegebenheiten ihrer Regionen anpassen.

Begrenztes Zeitfenster

Das Zeitfenster, in dem "Sustainable Energy for All“ erfolgreich und mit der Unterstützung auch der beiden größten Volkswirtschaften, USA und China, agieren kann, könnte - wiewohl die Ziele auf 2030 abstellen - ein recht begrenztes sein. Der Schiefer-Gas-Boom, der in den USA bereits voll eingesetzt und zu einem signifikanten Absinken auch der Weltmarkt-Gas-Preise geführt hat, könnte sich schon bald in ähnlich gigantischem Ausmaß in China wiederholen. Durch die nationale Verfügbarkeit von Schiefergas in großen Mengen und die gesellschaftliche Bereitschaft - trotz geringer Abschätzbarkeit der Umweltauswirkungen - diese Lager abzubauen, verändern sich in beiden Volkswirtschaften die Parameter für industrielle Produktion und energiepolitische Interventionen. Und es steht zu befürchten, dass die notwendigen Weichenstellungen hin zu erneuerbaren Energie-Quellen und größerer Energieeffizienz in beiden Ländern verschoben werden, wiewohl China sich etwa in seinem laufenden 12. Fünfjahresplan sehr stringente Vorgaben gegeben hat und 2011 die absolute Nummer eins weltweit bei Energie-Indikatoren wie jährlichem Zuwachs an installierter Windkapazität war. Angesichts der kombinierten Größe beider Volkswirtschaften müsste dies die Chancen einer erfolgreichen globalen Energie-Wende sehr stark verringern.

Eine der großen Herausforderungen für "Sustainable Energy for All“ - und für uns alle, die wir auf eine nachhaltige Energiezukunft hinarbeiten - wird es somit sein, in einem globalen Umfeld, in dem fossile Energie-Träger wieder einmal nicht so knapp sind, wie es noch vor kurzem schien, die drei Ziele zusammenzuhalten und Überzeugungsarbeit zu leisten, dass die Zielerreichung bei Energie-Effizienz, Erneuerbaren und Zugang zu modernen Energie-Dienstleistungen sich gegenseitig unterstützen und bedingen. Und dass ein Übergang zu nachhaltigeren Energie-Systemen allemal der langfristig bessere Weg ist: für die Wirtschaft, für die Umwelt, für die menschliche Gesundheit, für soziale Gerechtigkeit.

Die Autorin ist die Präsidentin des Global Forum on Sustainable Energy und österreichische Botschafterin in Peking

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