Frage nach dem Christsein: immer aktuell

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Nicht Europa oder der Glaube ist nach Auffassung des Moraltheologen Matthias Beck in der Krise, sondern der Mensch selbst, der im Trubel des Zeitgeschehens seine Orientierung verloren hat. Im Buch "Christ sein, was ist das?" möchte er ihm diese wieder zurückgeben.

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Nicht Europa oder der Glaube ist nach Auffassung des Moraltheologen Matthias Beck in der Krise, sondern der Mensch selbst, der im Trubel des Zeitgeschehens seine Orientierung verloren hat. Im Buch "Christ sein, was ist das?" möchte er ihm diese wieder zurückgeben.

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Gleich zu Beginn seines neuen Buches gibt der Wiener Priester, Moraltheologe und Medizinethiker Matthias Beck den Rahmen vor: Es ist das heutige Europa, auf das er schaut, und dessen vielfach verfahrener Zustand, so die Analyse, vor allem am fortschreitenden Verlust der christlichen Weltanschauung und ihrer Inhalte laboriert.

Für den Autor ist es somit klar, dass ein tieferes Verständnis der christlichen Glaubensinhalte nicht nur den Glauben selbst (in Europa) bewahren kann, sondern auch differenzierte Antworten auf ganz weltliche Fragen im Angebot hat: "Es gilt, ein neues Bewusstsein dafür zu entwickeln, aus welcher Tradition heraus die Werte der freiheitlichen Demokratie gewachsen sind. Es besteht die Gefahr, dass der Europäischen Union das geistige Fundament der errungenen demokratischen Werte langsam abhanden kommt [...] eine Wirtschaftsgemeinschaft allein genügt nicht als Grundlage. Zum Erhalten des Errungenen bedarf es eines tieferen Verständnisses der geistigen Hintergründe Europas [...] Der letzte Grund der Werte muss immer neu erschlossen werden, sonst geht das Erworbene langsam verloren."

Damit wäre das Buch "Christ sein, was ist das? - Glauben auf den Punkt gebracht" ein höchst aktueller Diskussionsbeitrag, welcher auch nicht davor zurückscheut, klare Position zu beziehen, nämlich hinter der insinuierten Aussage, dass der christliche Glaube nicht bloß die Wurzel der europäischen Lebens- bzw. Denkweise ist, sondern diese, durch die bewusste Rekapitulation der christlichen Werte, wieder hergestellt werden kann, und infolge dessen die unterschiedlichen Krisen des alltäglichen Zusammenlebens, sowohl im Großen (Europa), als auch im Kleinen (Gruppe oder Individuum) zu lösen wären.

Zentrale Inhalte des Christentums entfaltet

Dementsprechend verwendet der Autor auch mehr als ein Drittel seines Buches auf die Entfaltung der "Zentralen Inhalte" des Christentums, um in einem abschließenden Kapitel zu veranschaulichen, welche konkreten Anwendungsbereiche es für den Glauben in einer säkularisierten Welt gibt, u. a.: Christentum und Medizin, Christentum und Bildung, Christentum und Politik, Christentum und Wirtschaft, Christentum und interreligiöser Dialog.

Alles schön und gut, und dennoch entsteht am Ende der Auseinandersetzung nicht der Eindruck, man hätte auf die anfänglich - im Titel! - gestellte Frage "Christ sein, was ist das?" tatsächlich eine befriedigende Antwort erhalten.

Zum einen mag das daran liegen, dass Matthias Beck zwar schlüssig argumentiert, aber die verwendeten Zitate und Quellen eben nicht neu, sondern in den interessierten Kreisen altbekannt sind, und entsprechend oft von Glaubensgegnern verworfen wurden.

Die Kritik richtet sich also weniger an den Inhalt, der seinem Impetus nach gut und richtig ist, sondern viel mehr an die Unbestimmtheit des Adressaten: Für wen ist dieses Buch geschrieben? Wer soll es lesen?

Im Vorwort geht der Autor wohlweislich auf dieses Manko ein: "Das Buch ist fragmenthaft. Ja, das ist es. Es ist nur eine Bauanleitung, das Haus muss jeder selbst bauen. Der rote Faden ist die Reflexion über das Christentum auf den Menschen und den Staat."

Aber genau hierin liegt das Problem: Für Gläubige kann das Buch zwar eine willkommene Vertiefung oder Bestätigung sein, bringt aber weiter nichts, weil es im Grundlegenden verweilt. Und für Zweifler, Fernstehende oder leidenschaftliche Kritiker entwickelt es ebenfalls keine Sogkraft, da die vorgebrachten Argumente im Rahmen des Glaubens zwar schlüssig sind, aber auch anders abgeleitet werden können, wie man es mit dem Gebot der Nächstenliebe immer wieder erlebt hat.

Insofern ist das Buch zwar ein Zeichen dafür, dass der christliche Glaube in Europa sehr wohl seinen Boden hat, aber die Methode der (Wieder-)Bebauung noch nicht gefunden wurde.

Christ sein

Was ist das? Glauben auf den Punkt gebracht.

Von Matthias Beck

styria premium 2016

160 Seiten, geb. € 19,90.

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