Fragen und andere Vögel

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Das Fragen, ein Fragender, das Fragende in ihm. Das unermüdliche Fragen - anscheinend ohne Gefragten? Oder ist das der Leser? Wohl kaum. Nur wenn der fragende Text in die Nähe zu Friederike Mayröckers nichts antwortendem Gedicht kommt, beginnen wir leise Erklärungen zu hören. Dann aber fragt der Autor wieder: "Was sind Worte? Kann auch fragen: Sind die Worte und Wörter wie Vögel in der Welt unterwegs? Sind sie in der Luft unterwegs oder sitzen kurz auf Ästen oder überall, aber überall kurz? ... Was sagt pinx.? Sagt es pinx oder sagt es etwas Lateinisches?" Ist das nicht eine Vogelsprache? Klingt nicht in jedem Vogelzwitschern eine fragende Intonation?

Wir lauschen in Peter Waterhouse' "Der Fink. Einführung in das Federlesen"(Matthes &Seitz 2016) einer vollkommenen poetischen Rhetorik, die nicht ohne stille Partizipation von Friederike Mayröcker selbst stattfindet, die allmählich doch zu derjenigen wird, die gefragt wird. Und auch antwortet, vielleicht nicht laut.

Irgendwann beginnt der Text weniger zu fragen und mehr zu antworten, oder genauer gesagt: das zu demonstrieren, was an der Stelle des eigentlichen Antwortens steht -tiefe Bewunderung. Das ist auch Rhetorik, aber hier in Waterhouse' Texten über Friederike Mayröcker ist das Fragen ein klein wenig überzeugender als das Antworten und sogar das Bewundern. Der Text fängt an, sich leicht zu verklappern, sich etwas zu verstolpern (fällt aber niemals), sich ab und an zu verartikulieren.

Fragend der Poesie näherkommen

Nur fragend kann man dieser Poesie näherkommen. Wir sehen: Die Frageform ist das Natürlichste für die festgepanzerte und zugleich so fragile Sprachmelodie der Mayröcker. "Die Sprache der Sprache", wie übrigens das 2. Kapitel unseres Büchleins heißt. In diesem kommen teilweise Behauptung und teilweise Vermutung zu Wort, sogar das Narrative -all das lässt Mayröckers Sprache so bewaffnet und so unbewaffnet sein, wie sie ist. Ich finde, es ist eine große Leistung, sie so bewaffnet und so unbewaffnet zu lassen, wie sie ist.

Die Buchkapitel zeigen unterschiedliche Tiefen des Eindringens in Mayröckers Texte. Paradoxerweise (ist das tatsächlich eine "paradoxe Weise"?) bleibt die eindringlichste Methode das Fragen des 1. Kapitels. Jede weitere Annäherung kommt immer tiefer ins Fleisch des Gedichts und ist am Ende immer ferner davon. Aber niemals zu weit entfernt. Und plötzlich, am äußersten Ende des Buchs, in der Abhandlung (und das ist eben eine Abhandlung -ein close reading mit Schlüssen und Urteilen, weniger über den Text als über die Realitäten, die der Text schildert und interpretiert) über Elfriede Jelineks Theaterstück "Die Schutzbefohlenen", funktioniert dieses In-den-Text-Eindringen, das mit dem Gedicht nicht ganz funktioniert, was eigentlich sehr klar vor Augen führt, dass es einen Unterschied zwischen poetischer und nicht-poetischer Rede gibt: Erstere ist am besten mit dem Fragen zu begreifen, letztere mit dem Antworten. Somit: ein notwendiger Epilog.

Nun erlauben wir uns, selbst zu fragen: Ob dieses wunderbare, fragende, zwitschernde, selbstvergessene Buch genug gehört wird?

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