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Eine Autofahrt durch Wolkenbruch. Unmengen von Wasser verwandelten die Autobahn in eine Waschstraße, manchmal war weder das Auto vor, noch neben, noch hinter uns zu sehen. Mitten in diesem blindmachenden Wasserraum ein intensives Gespräch über den Blick.

Wir waren unterwegs Richtung Wien und kamen von Rauris, wo Peter Waterhouse bei den Literaturtagen gelesen hatte. Am Steuer saß die Literaturwissenschaft in Gestalt von Thomas Eder, der den schwierigen Part hatte (den er wunderbar meisterte), uns sicher durch die Wassermassen zu manövrieren.

Auf der Rückbank ein stundenlanges, unvergessliches Gespräch über den anderen Blick, über die Frage, ob es möglich ist, dass man absichtlich wo "falsch“ hinschauen kann, um etwas anders zu sehen. Darüber, wie sich der gewohnte Blick aufbrechen lässt. Selbst wenn es aus der Sicht des am Steuer sitzenden Fahrers so wirken mochte, solche Fragen sind nie nur philosophisch-ästhetisch: Denn sind nicht die gefährlichsten Strecken gerade jene, die wir gut zu kennen meinen? Unter anderem, weil wir dann nicht mehr hinsehen?

Wir sprachen darüber, ob überhaupt -und wenn: wie - es möglich sei, Afrika ohne kolonialen Blick zu begegnen, und Peter Waterhouse erzählte von Nikolaus Geyrhalters grandiosen Film "7915 km“, der eben das versucht.

Dass dieses Gespräch in einem Auto, einem Fortbewegungsmittel, stattfand, kam wohl nicht von ungefähr (auch wenn man das Bild, dass dabei die Literaturwissenschaft am Steuer saß, nicht überstrapazieren sollte), denn Peter Waterhouse ist einer, der unterwegs ist. Das war er wohl immer schon und oft wird dafür auf seine Biografie verwiesen: Der Schriftsteller wurde 1956 als Sohn eines britischen Geheimdienstoffiziers und einer Österreicherin in Berlin geboren, wuchs zweisprachig auf, studierte Germanistik und Anglistik an der Universität Wien sowie an der University of Southern California in Los Angeles.

Man kann aber für das Unterwegs-Sein von Waterhouse auch seine Übersetzertätigkeit anführen, denn auch das Über-Setzen ist eine Fahrt. Waterhouse übersetzte unter anderem Werke von Allen Ginsberg, Michael Hamburger, Gerard Manley Hopkins, Norman Lewis, Biagio Marin und Andrea Zanzotto.

Peter Waterhouse ist unterwegs und er ist ein Suchender: Das spürt man in seinem Umgang mit Sprache, in seinen vielen eigenen Texten, sei es Lyrik, sei es Prosa, seien es Essays oder Theaterstücke, aber auch bei der persönlichen Begegnung mit ihm. Waterhouse gibt auch dem Zögern Platz - wie erfreulich angesichts so vieler Besserwisser, die der Literaturbetrieb auch kennt.

Zu diesen gehört Waterhouse nicht: Er ist ein Fragender. Das kann man einmal mehr sehen in seinem Text über Hans Eichhorns Gedichte in einer Sonderausgabe der Zeitschrift "Die Rampe“: Wunderbare Fragen führen da in den Text und weiter. Was für eine bereichernde Art und Weise, sich Gedichten zu nähern, mit Fragen, die öffnen, nicht abschließen - was doch auch Gedichte tun.

Dass der Österreichische Kunstsenat Peter Waterhouse für den Großen Österreichischen Staatspreis 2012 vorgeschlagen hat, ist eine großartige Entscheidung. Der mit 30.000 Euro dotierte Staatspreis wird Waterhouse Ende Juli im Rahmen der Salzburger Festspiele überreicht werden. Das ist auch ein wichtiges Signal für die Lyrik, die im Literaturbetrieb ohnehin ein Schattendasein fristet, völlig unverdient.

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