Franz Jägerstätters Anwalt wird Bischof

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Nicht die Kreierung neuer Kardinäle in Rom war hierzulande am Dienstag das kirchliche Topthema, sondern die überraschende Bestellung des in Trier lehrenden Dogmatikprofessors Manfred Scheuer zum Bischof von Innsbruck. Die Überraschung bezieht sich nicht bloß darauf, dass in den Bischofsspekulationen Scheuers Name so gut wie nie aufgetaucht ist, sondern dass die Ernennung auch die moderate Gruppe unter Österreichs Bischöfen verstärkt. Nachdem Scheuers Vorgänger, der gleichfalls als offener Zuhörer geltende Alois Kothgasser vor knapp einem Jahr als Erzbischof nach Salzburg transferiert worden war, wird nun mit Scheuer ein weiterer "Leiser" zum vierten Hirten auf dem Innsbrucker Bischofsstuhl.

Oberösterreicher in Trier

Als Polterer oder als rabiater Konservativer gilt der 1955 im oberösterreichischen Haibach Geborene nämlich keinesfalls. Scheuer studierte an der Theologischen Hochschule in Linz sowie an der Gregoriana in Rom und in Freiburg, er wurde 1980 zum Priester geweiht. Von 1988 bis 1996 war er Spiritual im Linzer Priesterseminar, 1999 habilitierte er sich in Freiburg für Dogmatik und Spirituelle Theologie. Seit dem Wintersemester 2000/01 lehrt er als Professor für Dogmatik an der Universität Trier.

Wissenschaftlich gilt der designierte Bischof als Experte für Thomas von Aquin, dem er auch seine Habilitationsschrift gewidmet hat. Scheuer war in der Diözese Linz auch in der Seelsorge tätig, zuletzt 1999/2000 als Pfarrmoderator in Linz: Gerade diese pastorale Erfahrung ist für Margit Hauft, als Präsidentin der Katholischen Aktion die oberste Laiin Oberösterreichs, ein gutes Rüstzeug für ihren Landsmann, der nun von der Mosel an den Inn wechseln wird. Auch nach Haufts Einschätzung wird Scheuer ein "hörender Bischof" sein, einer der aus tiefer Spiritualität heraus lebt. Sie sei, so die Linzer KA-Präsidentin, ob der Bestellung Scheuers "guten Mutes".

Einer Tätigkeit ist der als "fromm, bescheiden und zurückhaltend" beschriebene Theologe besonders verbunden: Der Linzer Bischof Maximilian Aichern hatte Scheuer zum diözesanen Postulator, also zum kirchlichen Anwalt des Seligsprechungsprozesses für Franz Jägerstätter berufen.

Scheuer hat sich intensiv mit der Biografie des Innviertler Wehrdienstverweigerers auseinandergesetzt und Bücher und Aufsätze darüber publiziert. Auch Scheuers theologische Forschungen haben daher die Themen "Glaube und Widerstand" sowie "Gedächtnis der Opfer und Täter" wesentlich zum Inhalt.

Im August 2003 äußerte Scheuer im Furche-Gespräch, dass gerade die Beschäftigung mit Jägerstätter etwas mit Glauben und Theologie zu tun habe: "Er war ein einsamer Zeuge, auch ein Prophet, der eben nicht mit der Masse mitgelaufen ist. Auch das hat etwas mit Dogmatik zu tun: Denn Glaube bedeutet, dass der Einzelne vor Gott steht, er kann sich da nicht einfach vertreten lassen."

Auf eigenes Gewissen hören

Keine Frage, dass Österreichs Kirchenspitze einen Vertreter, der Spiritualität und Glauben auch im Kontext konkreter politischer Umstände ansiedelt, mehr als gut gebrauchen kann. Die Pflicht, auf das eigene Gewissen zu hören, für die Franz Jägerstätter auch heute steht, gehört zweifellos zu den Charismen, die Jägerstätters Anwalt, der nun Bischof wird, einbringen kann.

Nach Landeshauptmann Herwig van Staa ist mit Manfred Scheuer nun der zweite Oberösterreicher in Tirol ganz oben. Das katholische Tirol, von dem ja bekanntlich auch das Kirchenvolks-Begehren ausgegangen ist, dürfte ob dieser Ernennung jedenfalls aufatmen. Otto Friedrich

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