Frauen auf die Bühne!

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Die Theater in den Bundesländern haben 2004/05 vor allem einen Schwerpunkt: Frauen zwischen familiären, ökonomischen und politischen Fronten.

Frauen, freut Euch!" Nach dem Uraufführungsboom der letzten Saison zeigen sich die österreichischen Landesbühnen 2004/05 konzentrierter auf inhaltliche Schwerpunkte - vor allem auf einen.

Grellen theatralen Schlaglichtern auf Fragen zur Globalisierung, wie beispielsweise der erfolgreichen Grazer Inszenierung von Michael Cooneys Cash - und ewig rauschen die Gelder, folgen "Frauenstücke", vor allem über Frauenschicksale, aber auch von einer der wichtigsten zeitgenössischen Stimmen am Theater: Elfriede Jelineks Nora könnte nicht nur als Motto für das Schauspielhaus Graz, sondern für ganz Österreich gelten. Jelineks erstes Stück erklärt Ibsens Emanzipationsdrama von 1886 zur Gegenwartsfolie. Die brisante Situation der modernen Frau zwischen familiären, ökonomischen und politischen Fronten ist nämlich Schwerpunkt sämtlicher Bühnen.

Tabuzonen ausleuchten

Den ersten Rang für den interessantesten Spielplan hält auch heuer wieder das Schauspielhaus Graz: Mit Lessings Emilia Galotti startet es die Reihe seiner Frauenportraits zwischen Macht und Verführung, zwischen bürgerlichen Prinzipien und weiblicher Selbstbehauptung. Die Linie setzt mit Horváths Glaube Liebe Hoffnung fort, dem Ende der kurzen Phase der Ersten Republik, die Frauen neue Chancen bot. Mit Frank Wedekinds selten gespieltem Sittengemälde Musik - einem Stück über die Ausbeutung und Zerstörung einer begabten jungen Musikerin durch ihren Geliebten und Lehrer sowie der österreichischen Erstaufführung von Lukas Bärfuss Die sexuellen Neurosen unserer Eltern blickt Graz in die Tabuzonen unserer aufgeklärten Gesellschaft. Zugleich verfolgt es konsequent sein Ziel, österreichische Nachwuchsdramatikerinnen zu fördern: Die 21-jährige Grazer Autorin Gerhild Steinbuch wird mit streifen ein Stück über Mutter-Tochter-Konflikte, bedingungslose Liebe und das Dazwischen präsentieren, Friederike Heller dramatisiert Elias Canettis Die Blendung.

Diese grenzenlose Ausschlachtung bedeutender Namen, indem als Prosawerke konzipierte Texte dramatisiert werden, weitet ihr Feld noch aus. Graz, Linz und Bregenz bringen das Schauspiel zum gleichnamigen Film Das Fest, laut Ankündigung wird das Familiendrama als "modernes Sittengemälde" aufgenommen.

Überschneidungen gibt es auch für Eröffnungspremieren: Sowohl Linz als auch Bregenz starten mit Friedrich Hebbels Maria Magdalena. Das bürgerliche Trauerspiel greift die Position einer jungen Frau innerhalb des politisch erstarkten Kleinbürgertums Mitte des 19. Jahrhunderts auf. In Bregenz darf man sich auch auf die österreichische Erstaufführung von Electronic City des Nachwuchsdramatikers Falk Richter - einer Liebesgeschichte im Zeitalter des globalisierten Alltags - freuen.

Globalisiertes Leben

Was "familienfreundliche" Politik heißen kann, wenn frau als Betreuerin aus einer symbiotischen Mutter-Tochter-Beziehung ausbricht, zeigt das Landestheater Linz mit Martin McDonaghs Die Beautyqueen von Leenane. Der zurzeit vielbeachtete Gerhart Hauptmann schließt mit Vor Sonnenuntergang ein Familiendrama über die Macht der Ökonomie über die Liebe an. Das Projekt der oberösterreichischen Dramatik-Förderung wird heuer auf thematischer Ebene fortgesetzt - besonders freuen dürfte man sich auf Joshua Sobols Augenzeuge. Der Fall Jägerstätter.

Das Stadttheater St. Pölten akzentuiert im Unterhaltungsbereich mit Eifersucht, einem Stück für drei Frauen von Esther Vilar und Dario Fos Farcen Offene Zweierbeziehung sowie Bezahlt wird nicht, einer Komödie über den Protest vifer Frauen gegen ökonomische Zwänge.

Im Stadttheater Klagenfurt trifft man wieder auf Elfriede Jelinek, diesmal als Übersetzerin von Georges Feydeaus Boulevardkomödie Floh im Ohr. Klagenfurt zeigt sie in Jelineks Fassung als scharfsinnige Analyse des bürgerlichen Wohnzimmers der Doppelmoral. Die Vermarktung von Sexualität in einem reaktionären Gesellschafts-Modell, die Sexualisierung der Figuren gehen durch Jelineks analytischen Blick, der Feydeaus Lachen über eine triebgesteuerte Gemeinschaft in der Inszenierung von Martin Kusej als höchst spannendes Theaterprojekt verspricht. Mit der Bühneneinrichtung des Romans Malina der Genia loci Ingeborg Bachmann führt Schauspielerin Ulli Maier die Auseinandersetzung mit Frau-Sein und weiblicher Selbstzerstörung fort.

Zentralfigur Elfriede Jelinek

Und Innsbruck bringt wieder Jelinek: in einer konzentrierten, schlanken Fassung wird Ein Sportstück im "Sportland" Tirol von der sanktionierten Gewalt eines Phänomens, von Mannschaften und Müttern erzählen. Ansonsten verspricht Intendantin Brigitte Fassbaender anlässlich des 350-Jahr-Jubiläums recht vage viel Kreativität und startet mit Goldonis Mirandolina, einer Komödie über weibliche Verführungsstrategien. Wenn auch nicht deklariert, so führt die theatrale Auseinandersetzung eines ausgewogenen Spielplans (Shakespeares Was ihr wollt, Gert Jonkes Chorphantasie, René Freunds Schluß mit André) mit Schillers Jungfrau von Orleans den aktuellen Diskurs über die Rolle der modernen Frau zwischen traditionellen Mustern und Utopien fort.

Zwischen Familie und Schönheit, Kunst und Biologie werden Frauen-Räume definiert, im öffentlichen Raum Theater freigesprengt und neu erkämpft.

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