Fußball: "Frauen sind nur Eskorte"

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Die Politologin Eva Kreisky über Fußball als "Arena der Männlichkeit, Homophobie am grünen Rasen, Politiker im Stadion - und sexistische Prämien.

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Die Politologin Eva Kreisky über Fußball als "Arena der Männlichkeit, Homophobie am grünen Rasen, Politiker im Stadion - und sexistische Prämien.

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Die Politologin Eva Kreisky über Fußball als "Arena der Männlichkeit, Homophobie am grünen Rasen, Politiker im Stadion - und sexistische Prämien.

DIE FURCHE: Frau Professor Kreisky, Sie veranstalten begleitend zur Euro ein Forschungsseminar über "Fußball als Spektakel". Wann waren Sie selbst zuletzt auf einem Fußballplatz?

Eva Kreisky: Jetzt muss ich mich outen: Ich glaube vor zwei Jahren - und zwar in Begleitung von Studierenden, die zu dem Themenfeld gearbeitet haben. Ich gehöre also nicht zu irgendwelchen feministischen Fangruppen. Mein Interesse ist weniger das Spielfeld als das soziale Feld. Als Politologin beschäftige ich mich ja viel mit männlichen Institutionalisierungen. Während früher noch das Militär als Schule der Männlichkeit angesehen worden ist, wirken heute eher ökonomische Institutionen oder der gesamte Freizeitbereich prägend. Und es gibt wenige gesellschaftliche Bereiche, in denen man so nah an das Problem von Männlichkeit herankommt wie beim Fußball.

DIE FURCHE: Sie sprechen im Titel eines Buches, das Sie 2006 - im Jahr der Fußball-WM in Deutschland - herausgegeben haben, gar von einer "Arena der Männlichkeit" …

Kreisky: Dieses Arrangement des Fußballs hat eben die besondere Charakteristik, dass eine männliche Vergemeinschaftung zutage tritt: Von privilegierter Mittelschicht-Männlichkeit, Politikern und Journalisten bis hin zu arbeitslosen Männern proletarischer Männlichkeit sind alle Facetten versammelt - mit einem gemeinsamen Ziel: nämlich Sieg des eigenen Vereins. Frauen sind meist nur das Anhängsel, das mit den Männern mitläuft.

DIE FURCHE: Warum ist der Vereinsfußball - im Vergleich zu Länderspielen oder Großereignissen wie WM oder Euro - für Frauen vergleichsweise wenig attraktiv?

Kreisky: Der Vereinsfußball ist das totale Arrangement der Männlichkeit - von Bier bis Burenwurst, von den Fanritualen bis zu den Dresscodes. Es ist ein wöchentliches Ritual, das Männern die Möglichkeit lässt, ihre Emotionen auszuleben, was sie sonst im Berufsalltag nicht können. Frauen sind daran nur am Rande beteiligt - als begleitende Eskorte, wenn überhaupt. Aber es gibt natürlich immer Ausnahmen. Im österreichischen Fußball hat es besonders dann Ausnahmen gegeben, als einzelne Vereine junge, hübsche Spieler hatten und sich plötzlich vermehrt auch Frauen zum Vereinsfußball bekannt haben. Austria Salzburg hat mit einem hübschen Torhüter so eine Phase gehabt.

DIE FURCHE: Otto Konrad …

Kreisky: Ja. Aber den Frauen wird es von den männlichen Fans sofort wieder übel genommen, wenn sie nicht Fans des Vereins sind, sondern Anhängerinnen einzelner Spielerstars. Warum jetzt bei Großinszenierungen wie Weltmeisterschaft oder Europameisterschaft größeres weibliches Interesse besteht, hängt wesentlich mit dem Sponsoring dieser Events zusammen. Man hat ja fast keine Möglichkeit mehr, sich dem zu entziehen. Ich habe kürzlich gesehen, dass das "Café Museum" in Wien damit wirbt, eine "fußballfreie Zone" zu sein. Das drückt ja viel aus, dass man einen Ort, wo man vom Fußball unberührt bleibt, schon extra bewerben muss.

DIE FURCHE: Apropos Berührung: Sie stellen im Fußballmilieu eine "allerorten wahrnehmbare und auch tolerierte Homoerotik" fest. Der deutsche Genderforscher Ulf Heidel sieht hingegen kein homosexuelles Begehren, sondern nur jenes, einem Männerbund anzugehören …

Kreisky: Nun gut, auch die Männerbund-Ideologie hat eine erotische Komponente. Die männerbündische Struktur kann man sich so vorstellen, wie wenn man einen Stein ins Wasser wirft und dieser Stein zieht Kreise. Den Mittelpunkt gibt der Führer oder Held ab, und dann gibt es im ersten Kreis die "Liebhaber" bis zur Gefolgschaft und zum Fan. Dazu kommt beim Fußball etwas, was - zumindest in unseren Breiten - nicht wirklich üblich ist, nämlich dass es zu Körperkontakten zwischen Männern kommt, wenn sie die Freude über ein Tor oder den Sieg zum Ausdruck bringen. Das ist deshalb interessant, weil im Fußball gleichzeitig Homosexualität verpönt ist. Im Profifußball sind etwa keine homosexuellen Spieler bekannt. Erst anlässlich des Life-Balls hat der frühere Torhüter Michael Konsel gemeint, dass er keine Spieler kennt, die homosexuell sind. Und dazu hat er gesagt: "Wahrscheinlich ist Fußball so ein harter Sport, dass diese sensiblen, weichen Männer sich nicht dafür interessieren." Da merkt man schon, wie mit Stereotypen argumentiert wird.

DIE FURCHE: Es kann auch einfach nur tödlich sein, sich als Profifußballer zu outen …

Kreisky: Natürlich.

DIE FURCHE: Ein Outing als Nicht-Fußballfan ist für Politiker mittlerweile ebenfalls riskant. Gerade bei Länderspielen gehört es zu ihrer Pflicht, erste Reihe fußfrei mitzufiebern. Was macht den Besuch eines Matches für Politiker so ergiebig?

Kreisky: Wenn ein Bundeskanzler oder Bürgermeister an diesem Fest der Männlichkeit teilnimmt, dann wird er als Teil dieser männlichen Gemeinschaft akzeptiert. Außerdem garantiert der mediale Effekt solcher Großereignisse, dass man als Politiker oder Politikerin mit im Bild ist und auch Lorbeeren abräumt. Bei der WM in Deutschland hat etwa Bundeskanzlerin Merkel den Regierungsmitgliedern den Auftrag gegeben, bei allen wichtigen Spielen dabei zu sein. Da lebt die Nation mit, also müssen sie sichtbar sein.

DIE FURCHE: In Deutschland war von "Party-Nationalismus" die Rede …

Kreisky: Es hat schon vorher die Kampagne "Wir sind Deutschland" gegeben. Dann gab es das Glück, dass Deutschland nicht ausgeschieden ist, und dazu war auch schönes Wetter. Aber nach den Schlussfeierlichkeiten ist das alles wieder wie eine Seifenblase weg gewesen. Da war dann wieder Hartz IV präsent.

DIE FURCHE: Die mediale Präsenz des Frauenfußballs in Deutschland ist hingegen nachhaltig. Immerhin wurde das deutsche Frauen-Nationalteam 2007 zum zweiten Mal Weltmeister …

Kreisky: Richtig. Und die Spielerinnen bekommen auch schon ordentliche Prämien. Doch 1989 sind sie erst einmal Europameisterinnen geworden. Und was haben sie damals vom Deutschen Fußballbund bekommen? Je ein Kaffeeservice und ein Bügelbrett.

Das Gespräch führte Doris Helmberger.

BUCHTIPP:

ARENA DER MÄNNLICHKEIT. Über das Verhältnis von Fußball und Geschlecht Von Eva Kreisky und Georg Spitaler (Hg.), Campus Verlag, Frankfurt/New York 2006, 371 Seiten, € 35,90

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