Frauenbild als Indiz einer Wende

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Alljährlich zum Song Contest staunen wir über von ihm transportierte Frauenbilder. Doch es benötigt keine Eurovision, um die fatale Macht derartiger Klischees zu erfassen. Italiens Fernsehen ist tonlos erkennbar an der Reduktion von Weiblichkeit zum erotischen Dekorationsobjekt. Ausnahmen wie die Journalistin/Politikerin Lili Gruber bestätigen die Regel, dass der Medieneigner/Politiker Silvio Berlusconi im privaten wie öffentlichen TV-Angebot das Frauenbild gleichgeschaltet hat. Diese Jahrzehnte währende audiovisuelle Flut wirft Feminismus, Emanzipation und Gleichberechtigung in Italien auf Nachkriegsniveau zurück. Vom niedrigsten Prozentsatz an weiblicher Berufstätigkeit bis zum global nur 85. Platz bei der Quote von Frauen in Führungspositionen reicht die Schandliste.

Das ist nicht neu, wurde von Lorella Zanardo mit "Il Corpo delle Donne“ 2009 filmisch dokumentiert, hat sich aber unter den Ministerpräsidenten Mario Monti und Enrico Letta nicht geändert. Erst just vor einem drohenden weiteren Comeback von Berlusconi gibt es einen TV-Wendepunkt: Annamaria Tarantola, noch von Monti ernannte Chefin des öffentlichen Fernsehens, hat "Miss Italia“ aus dem Programm gekippt. Erstmals seit 1988 überträgt es den angeblichen Schönheitswettbewerb nicht. Wenn Tarantola sagt, die Körperschau widerspreche der Linie der RAI, markiert dies vor allem einen Kurswechsel im staatlichen Medieneinfluss, hilft das zudem einer gesellschaftlichen Neuorientierung in Italien, symbolisiert es aber auch ein "Wehret den Anfängen!“ für Europas öffentlich-rechtlichen Rundfunk: Wenn seine Unterhaltung zu wenig hinterfragt den Privatsendern nachhechelt, gewinnt er zwar kurzfristig Quote, verliert aber nachhaltig Glaubwürdigkeit und langfristig soziale Relevanz. Der Song Contest ist das populärste Indiz für das mangelnde Selbstverständnis seiner Macher.

Der Autor ist Medienberater und Politikanalyst

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