Frauenspuren in Salzburg

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Bischofs-Mätresse, Frauenrechtlerin, Münzmeisterin und vermeintliche Hexe: engagierte Salzburger Frauen prägten die Geschichte, doch im Stadtbild sind sie nicht präsent. Das Projekt "Frauenspuren" legt eine Fährte zu längst vergessenen Salzburgerinnen.

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Bischofs-Mätresse, Frauenrechtlerin, Münzmeisterin und vermeintliche Hexe: engagierte Salzburger Frauen prägten die Geschichte, doch im Stadtbild sind sie nicht präsent. Das Projekt "Frauenspuren" legt eine Fährte zu längst vergessenen Salzburgerinnen.

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Hochgewachsen, rötlichblondes Haar, ausdrucksvolle Augen: ihre Erscheinung und Anmut erweckte allgemeines Aufsehen, und zeitgenössischen Berichten nach soll sie das schönste Mädchen der Stadt gewesen sein.

Die Rede ist von Salome Alt (1568-1633), der Salzburger Ratsherrntochter und Lebensgefährtin von Erzbischof Wolf Dietrich. Die Frage, ob beide verheiratet waren, beschäftigte schon damals die Seitenblicke-Gesellschaft, doch der angebliche Trauzeuge, zugleich Kammerdiener des Bischofs, nahm das Geheimnis mit ins Grab. Jüngere Forschungen ergaben jedoch, daß sich Salome immer als rechtmäßige Ehefrau Wolf Dietrichs hielt.

15 Kinder schenkte sie dem Erzbischof in den gemeinsamen Jahren, von denen 1611, zum Zeitpunkt seiner gewalttätigen Absetzung, noch zehn am Leben waren. Vor allem der erstaunliche Gesinnungswandel Wolf Dietrichs, die Protestanten in seinem Land zu dulden, wird dem Einfluß Frau Alts zugeschrieben. Den Sturz und Kerkertod ihres Geliebten konnte Salome zeitlebens nicht verwinden. Sie starb in Wels, ihre Grabstätte ist unbekannt.

Symbolischer Schuh Bekannt ist Salome Alts Geburtshaus in der Salzburger Altstadt; seit kurzem erinnert eine Gedenktafel an diese außergewöhnliche Frau, die sich über Konventionen ihrer Zeit hinwegsetzte.

Sanja Serbin, gebürtige Belgraderin, seit zehn Jahren in Österreich künstlerisch tätig, hat diese und 13 weitere Tafeln gestaltet. Neben die biographischen Daten außergewöhnlicher Salzburger Frauen stellte sie das Relief eines historischen Frauenschuhs. Der Schuh soll Bewegung und Freiheit symbolisieren, andererseits aber auch Einschränkung und Unterdrückung von Frauen darstellen.

"Skulpturen", hätte die Bildhauerin Serbin lieber gemacht: "Schuhe die dastehen, etwas zum Anfassen, aber Salzburg hat Angst vor gegenständlichen Figuren." Die Idee scheiterte an behördlichen Auflagen; allein die Genehmigungen für Bronzetafeln waren im Weltkulturerbe, nur "mit großen Problemen" zu bekommen.

Weitere Erinnerungsstationen in Stadt und Land sind für Dagmar Stranzinger, Frauenbeauftragte und Initiatorin des Projekts, nicht ausgeschlossen, hängen davon ab, "ob wirklich noch Gebäude ausfindig gemacht werden können".

Besonders am Herzen liegt der Frauenbeauftragten das Gedenken an eine Feministin der ersten Stunde: Irma von Troll-Borostyani (1847-1912). An der geistigen Enge leidend, flüchtete die jugendliche Troll von Salzburg nach Wien. Ihr Lebensziel nannte sie "Objektivierung des Selbst", die Entfaltung der eigenen Fähigkeiten und Anlagen. Als Musiklehrerin und Journalistin verdiente sie sich den Lebensunterhalt.

1878 erschien Trolls erstes großes Werk "Die Mission unseres Jahrhunderts - Eine Studie über die Frauenfrage", das viel Aufsehen und empörte Kritik auslöste. In Männerkleider gehüllt, hatte sie für ihr Buch in der Lebenswelt Wiener Prostituierter recherchiert. "Die Prostitution ist kein notwendiges Übel", schreibt Troll nach diesen Besuchen: "Es gibt Tausende von Frauenzimmern, die unter dem Banne der Prostitution liegen, welche ursprünglich einen reineren Sinn und bessere Eigenschaften besaßen, um gute Frauen zu werden, als so manche Tochter reicher Eltern. Was bleibt jenen Unglücklichen übrig, die keinen Erwerb, kein Obdach für ihr Haupt und keine Nahrung für ihren Magen haben? Wenn sie nicht stehlen wollen, so bleiben ihnen nur zwei Wege zur Wahl - Bettelei oder Prostitution."

Wieder zurück in der Heimat, war Troll durch ihren kompromißlosen Einsatz für Frauenrechte und ihr Engagement im "Salzburger Freidenkerverein" eine ständige Provokation für das hiesige Establishment. Im Nachruf betitelte die "Neue Freie Presse" Irma von Troll-Borostyani als "erste Vorkämpferin der Frauen-Emanzipation in Österreich".

Barbara Thenn (1519-1579) ist eine weitere Station der "Frauenspuren" gewidmet. Die Münzmeisterin Thenn leitete - ein absolutes Novum für die damalige Zeit - als selbständige Unternehmerin 20 Jahre lang erfolgreich einen Großbetrieb. Erst auf die Intrige eines Konkurrenten hin, wurde ihr die Münzverwaltung entzogen; wegen ihrer protestantischen Gesinnung ein Begräbnis in der Stadt verweigert.

Hexenverfolgung Station Nummer elf der "Frauenspuren" erinnert an die mehr als 70 Opfer der Hexenverfolgung in den Jahren 1678/79. Wo jetzt die Bronzetafel mit dem Frauenschuh hängt, stand bis zur Mitte unseres Jahrhunderts der "Hexenturm", in dem unter anderen die Greisin Margareta Reinbergerin grausam gefoltert und schließlich verbrannt wurde.

Die Prozeßakten zeigen die unbeugsame Zivilcourage dieser Frau: Auch nach 300 Rutenstreichen wies sie alle Bezichtigungen zur Hexerei von sich. Erst schwere Tortur, "man zog sie gebunden ein wenig bei den Ohren auf", rang der 80jährigen ein Schuldgeständnis ab. An den Richter gewandt, widerruft sie aber sogleich: "Müsse ihn halt anliegen, wisse nichts!" Daraufhin wird die Unglückliche, unter beiden Irxen (Achseln) und an den Fingern der rechten Hand gebrannt, zum Tode verurteilt und am 20. Oktober 1678 auf dem Scheiterhaufen hingerichtet.

Zivilcourage, Mut und Widerstandskraft: Eigenschaften, die Margareta Reinbergerin mit den anderen, nunmehr dem Vergessen entrissenen Salzburgerinnen, teilte.

Hinweise Geführter Altstadtrundgang: "Von Hebammen & Hexen, Geliebten & Göttinnen"; für Gruppen bis 20 Frauen jederzeit buchbar unter der Telefonnummer (0662) 43 87 09 Salzburg für Frauen. Ein Stadt- und Reisebuch, von Gertraud Steiner, im Verlag Anton Pustet 1997, 142 Seiten, öS 198,

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