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Denke ich an den ungarischen Schriftsteller István Eörsi, sehe ich ihn vor mir, wie er in einem Salzburger Wirtshaus zur rasanten Musik einer pannonischen Kapelle mit so weltumarmender Geste und so seligem Blick zu tanzen beginnt, dass alsbald das ganze Wirtshaus mit ihm und um ihn herum tanzte. Das war im November 1991, und die Zeitschrift Literatur und Kritik hatte zu ihrem ersten Literaturfest eingeladen. Eörsi war damals gerade sechzig geworden, er hatte vier Jahre Gefängnis und ein Jahrzehnt Berufsverbot hinter sich. Aber als Märtyrer wollte er sich keineswegs geadelt sehen, und zum Helden, sagte er mir einmal geradezu empört, fühle er sich nicht berufen. Unbeugsame Menschen haben manchmal etwas asketisch Verkniffenes, sie bezahlen für ihre Charakterstärke, indem sie an Gefühlskräften einbüßen; Istváns Unbeugsamkeit, die aus dem verfemten Dissidenten der kommunistischen Ära einen scharfen Kritiker des realen Kapitalismus in seiner Heimat werden ließ, war von anderer Art: Was immer er mit polemischer Brillanz schrieb und wider die Mächtigen und ihre Lakaien leidenschaftlich verfocht, es war Schalk und Selbstironie darin. Wer hätte seinen Auftritt als Angeklagter eines stalinistischen Gerichtes später je mit den Worten beschrieben: "ich vermute, dass ich nicht zur Bestform auflaufen konnte".

Zur Bestform ist er in vielen Prosabänden, Theaterstücken und als sarkastischer Debattierer oft aufgelaufen. Er hat, so übel ihm sein Leben lang mitgespielt wurde, das Leben geliebt - und sich nicht gescheut, diese Liebe zu zeigen, mitunter eben auch als Tänzer. Der das Leben, trotzig bis zuletzt, pries, hat ein Buch über den biblischen Leider Hiob geschrieben; drei Monate, nachdem er seinen Sohn an derselben Krankheit hat sterben sehen, ist er nach einem Jahr der Qualen am 16. Oktober an Leukämie gestorben. Ich habe nur zwei Themen, hat er gesagt: "Freiheit und Liebe".

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