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die furche: Welche Sorgen macht es einem Generationenforscher, dass es immer weniger Kinder gibt?

Leopold Rosenmayr: Einer Gesellschaft ohne Kinder geht etwas ganz wichtiges verloren: Kinder bewirken, dass die Generationen mit mehr Mitgefühl an der Entwicklung einer Gesellschaft teilnehmen. Die Menschen fühlen sich für die gesellschaftliche Zukunft in einem Maße mitverantwortlich wie das ohne Kinder einfach nicht der Fall wäre. Wer die kleinen Geschöpfe sieht, denkt sich: In welcher Welt werdet ihr leben müssen? Wird sie in Zukunft noch mehr zubetoniert und verschmutzt sein? Erst durch Kinder wird eine Atmosphäre der gegenseitigen Verantwortung geschaffen.

die furche: Eine kinderfreundliche Gesellschaft denkt anders als eine mit immer weniger Nachwuchs?

Rosenmayr: Kinder zu haben bedeutet im Grunde auch einen Schlag gegen den gewaltigen Egoismus, der sich heute bei uns allen immer mehr herausbildet. Derzeit biegen sich immer Menschen auf sich selbst zurück und stellen nur mehr das eigene Ich in den Mittelpunkt ihres Denkens und Fühlens. Kinder hingegen fordern den Erwachsenen vieles ab, schränken sie ein, bringen sie zum Nachdenken. Man sitzt halbe Nächte, wenn sie krank sind, fühlt und leidet mit ihnen. Dazu sind Eltern heute gefordert, die kleinen Menschen auf sanfte Weise zu erziehen, ihnen sowohl Grenzen zu ziehen als sie auch innerhalb dieser Grenzen gewähren zu lassen. Das sind in einer Gesellschaft mit großem Konsumdruck schwierige Aufgabenstellungen.

die furche: Ist es letztlich egal, ob wir mehr eigene oder Kinder von Zuwanderern haben?

Rosenmayr: Nein. Wenn es die eigenen Kinder sind, ist die emotionale Zuwendung sicher größer. Aber andererseits geht Europa einer Mischgesellschaft entgegen und wir sollten eigentlich schon längst schauen, wie wir die Integration ausländischer Kinder zufriedenstellend zusammenbringen. Das ist besonders für die Volksschulen eine Herausforderung.

die furche: Bundeskanzler Wolfgang Schüssel meinte, dass wir in Österreich durch das Kindergeld in Zukunft auf mehr Einwanderung verzichten werden können.

Rosenmayr: Also so dürfte das Kindergeld nicht verstanden werden. Das wäre "Kinder statt Inder" auf österreichisch. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Österreicher jetzt aus Nationalstolz heraus mehr Kinder machen werden.

Das Gespräch führte Elfi Thiemer.

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