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Erinnerung an Erhart Kästner (1904-74) zum 100. Geburtstag

Meine Liebe zu Griechenland stammt aus dem Krieg", schreibt Erhart Kästner in seinem bekannten Buch "Ölberge, Weinberge". Um der Tötungsmaschinerie Wehrmacht möglichst zu entkommen, hatte er sich, ohne ein Wort Neugriechisch zu können, als Dolmetsch nach Griechenland gemeldet. Und dann auch noch durchgesetzt, für ein Griechenlandbuch freigestellt zu werden. In seinem "Zeltbuch aus Tumilad", den Aufzeichnungen aus der ägyptischen Wüste, wo er zweieinhalb Jahre als Kriegsgefangener zubrachte, reflektierte er: "Was ist der Mensch? Ein Träger von Bildern, die nicht mitteilbar sind. Ein einsamer Träger von Bildern in Wachen und Schlaf."

Die Bilder, die Kästner in sich trug und die die klare Sprache seiner Bücher beseelt, kommen Zeit seines Lebens aus Griechenland: aus der Antike, den orthodoxen Klöstern und den einsamen Wanderungen seit den vierziger Jahren. Seine Prosa ist weit mehr als ein Reisebericht, Gerade in seinem letzten Buch "Aufstand der Dinge" (1973) mobilisiert er die Griechenland-Erfahrungen zu einer Kulturkritik an der Moderne: "Modern ist die totale Verfügung über die Dinge, die totale Steuerung aller Verläufe; totale Verfügung über die Vergangenheit, über die Zukunft, und selbstverständlich über den Menschen."

Kästner, der das Leben nicht der messbaren Zeit unterwerfen wollte und an seinen einmaligen Augenblicken festhielt, lebte durchaus in der Gegenwart: nicht nur als tatkräftiger Direktor der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel, der Bibliothek von Lessing und Leibniz, die er 1950-68 leitete, sondern auch in der Auseinandersetzung mit moderner Kunst (vor allem Paul Klee) oder seinem Eintreten für den Bremer Literaturpreis für Paul Celan. Auch sein Griechenland hat er nicht idyllisiert; dass er sich dem Fortschrittsglauben verweigerte, hieß nicht, das er das Heute nur am Gestern maß. Zum 100. Geburtstag von Kästner am 13. März ist ein Sammelband bekannter und unbekannter Texte erschienen.

MAN REIST, UM DIE WELT BEWOHNBAR ZU FINDEN

Lebensbilder und Bewunderungen

Von Erhart Kästner. Zusammengestellt und herausgegeben von Helwig Schmidt-Glintzer. Mit einem Essay von Arnold Stadler. Insel Verlag, Frankfurt am Main und Leipzig 2004, 240 Seiten, geb., e 15.40.

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