Freude an der Völkervielfalt

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Im Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek sind vielfach unbekannte Ansichten der Völker der Habsburgermonarchie zu sehen. Die Ausstellung ist aber viel mehr als bloß eine nostalgische Rückschau - sie zeigt die kulturelle Moderne dieses Vielvölkerreiches.

Im Vergleich zur mittlerweile dominierenden Blockbuster-Philosophie der großen Museen ist der Ausstellungsbetrieb der Österreichischen Nationalbibliothek eine wohltuende Ausnahme. Die aktuelle Präsentation ist vergleichsweise unspektakulär, aber sie bietet einen faszinierenden Einblick in den Versuch der Habsburgermonarchie, sich dem eindimensionalen Nationalstaatskonzept des 19. Jahrhunderts entgegenzustemmen. Dazu kommt ein schöner und umfangreicher Katalog, der vom Kurator und Sammlungsleiter Hans Petschar mit wissenschaftlicher Akribie gestaltet und kommentiert wurde, und der auch im Buchhandel erhältlich ist.

Verstellter Blick

Um 1800 begann man erstmals, das Territorium des österreichischen Imperiums in seinen vielen Dimensionen zu erfassen. Das betraf die nüchterne topografische Vermessung und genaue kartografische Erfassung, aber auch die Darstellung der landschaftlichen Schönheiten und vor allem der ethnischen Vielfalt mit der Beschreibung der Gebräuche und Mentalitäten der Bewohner sowie schließlich die Erfassung der wirtschaftlichen Potentiale. Unter dem Eindruck der Französischen Revolution sollte damit auch ein Gegenmodell zum französischen Nationalstaat propagiert werden, geprägt durch Vielfalt in Harmonie.

Gerade im Licht der aktuellen Integrationsdebatte fällt dabei auf, wie sehr unser Blick durch die virulenten Nationalismen in Europa verstellt ist. Mehr als ein Jahrhundert war man stolz auf die Vielfalt und den kulturellen und wirtschaftlichen Reichtum der Völker im Alpen-, Adria-, und Donauraum. Erzherzog Johann hat seine Kammermaler und Geographen in die entlegensten Gebiete der Monarchie geschickt, um genau das zu dokumentieren. Viele Originale, die in populären Druckschriften international reproduziert wurden, wurden der kaiserlichen Fideikomißbibliothek einverleibt, deren Bestände lange Zeit unbeachtet in der Österreichischen Nationalbibliothek lagen. Das gilt insbesondere auch für die um 1830 entstandenen statistischen Tafeln - inklusive ethnografischer Abhandlungen des Nepomuk Freiherrn von Metzburg, die einen ungewöhnlich detaillierten Einblick in die ethnische, wirtschaftliche und kulturelle Vielfalt der Monarchie geben.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde auf Initiative von Kronprinz Rudolf noch ein letztes Mal der Versuch unternommen, die Völker der Monarchie gleichberechtigt darzustellen. Im größten editorischen Unternehmen seiner Zeit wurden die namhaftesten Wissenschafter, Publizisten, Fotografen und Künstler der Monarchie verpflichtet und publizierten zwischen 1884 und 1902 24 deutsche und 21 ungarische Bände unter dem Titel "Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild“. Dieses "Kronprinzenwerk“ wurde - zumindest im österreichischen Teil der Monarchie - ungeheuer populär. Auf die Gleichwertigkeit in der Darstellung der Volksgruppen unabhängig von ihrer zahlenmäßigen Bedeutung wurde besonders geachtet. Darunter finden sich auch Namen wie Huzulen, Podhalanen, Phillippowaner, Goralen und andere, die durch die nationalen Einebnungen des 20. Jahrhunderts aus unserer Erinnerung verschwunden sind und uns heute fremd klingen.

Moderne Habsburger

Wenn heute multinationale Unternehmen unter dem Schlagwort "Diversity Management“ versuchen, der kulturellen und ethnischen Vielfalt ihrer Mitarbeiter nicht nur tolerant zu begegnen, sondern diese aktiv zu fördern, weil ihr ein erheblicher Mehrwert innewohnt, dann mutet der Versuch der Habsburger im 19. Jahrhundert erstaunlich modern an. Die "Vienna Insurance Group“ hat das erkannt und trägt dieser Idee als Sponsor der Ausstellung Rechnung.

Altösterreich. Menschen, Länder und Völker in der Habsburgermonarchie

Prunksaal der Nationalbibliothek,

Josefsplatz 1, 1010 Wien

bis 30. Oktober, Di-So 10-18, Do bis 21 Uhr

Begleitbuch zur Ausstellung von Hans Petschar, Verlag Christian Brandstätter, € 29,90

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