Freudlos, lustlos, einfallslos

Werbung
Werbung
Werbung

Elektra“ von Richard Strauss galt in den letzten Jahrzehnten als ein Hauptwerk des Grazer Opernrepertoires, etwa in einer maßstäblichen Inszenierung von Harry Kupfer oder von Hans Hollmann. Jetzt wurde das Werk dem vergleichsweise jungen Deutschen Johannes Erath anvertraut, der sich schon an Mozarts "Don Giovanni“ mittels Eingriffen in Lorenzo da Pontes dramatische Konzeption und Mozarts Komposition profilieren durfte.

Dass ein ausgebildeter Geiger sich durch Montage von Herztönen auf Tonband sowie durch Striche und Umstellungen in den Partien der Chrysothemis, des Ägisth und des Pflegers des Orest zu profilieren sucht, wie Johannes Erath es tut, frappiert. Der Regisseur entwickelte aus Freud’scher Hysterie-These eine surreale sexualenthaltsame Fantasie für ein Irrenhaus, wo ein riesiger Teddybär und ein kleines Schaukelpferd dem freudianischen Irrenarzt Ägisth zu Stolpersteinen wurden.

Solch szenischer Fragwürdigkeit hat die Grazer Oper immerhin Orchesterglut und ausgewogene Dirigierdynamik von Opernchef Johannes Fritzsch entgegenzusetzen. Mit einer gewichtigen Sängerbesetzung geht das Werk wenigstens musikalisch auf.

Erkennungsszene ohne Erkennung

Iris Vermillion als attraktiver Klytämnestra mit umwerfend weit gespannter Tessitura glaubt man die antike Megäre wie die freudlose Patientin. Dank optisch grandioser Kostümierung durch Birgit Wentsch auch die Hypererotik. Da stimmen Aktion, Phrasierung, Deklamation und jeder Lagenwechsel. Ein Ereignis.

Stephanie Friede als Elektra dürfte zwischen London und Rom in diversen Strauss-Partien (etwa als unvergessene Grazer Färberin) momentan konkurrenzlos sein. Mit unglaublichen Stimmreserven und Höhenschüben trägt diese erstklassige Sängerschauspielerin den Abend.

Leider hat ihr die Regie die Erkennungsszene mit Orest verhaut: Erath lässt ihn unmotiviert wie einen steinernen Gast erst im Parterre, dann auf dem Balkon erscheinen. Der Bayreuther Sachs James Rutherford singt mit mächtigem Nobelbariton gegen diese Zumutung an.

Berührend bewältigt die hauseigene Gal James die Sehnsuchtstöne der Chrysothemis, über die Zumutungen ihrer Kostüme hinwegsingend.

Unter die Räder der Bearbeitungswut - wer sind denn schon die Herren Hofmannsthal und Strauss? - kommen Konstantin Sfiris als Pfleger des Orest, der die Patienten niederzuspritzen hat, die in den Chor der Patienten zurückgedrängte Aufseherin der Mägde und die Vertraute der Klytämnestra. Damit kam die Regie offenbar ebenso wenig zurecht wie mit der Jahrtausendpsychologie eines Sophokles.

Weitere Termine

21., 24. März, 26. April

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung