Freundschaft macht unfrei

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"Google+“ will "Facebook“ herausfordern. Indes erleben soziale Netzwerke erstmals eine sanfte Stagnation: Es ist schwer, die individuellen Profile dauerhaft aktuell zu halten.

Spätestens, seit Google sein neues soziales Netzwerk Google+ angekündigt hat, ist Bewegung in die Welt des Web 2.0 gekommen: Denn Platzhirsch Facebook hat zwar mittlerweile 750 Millionen Nutzer weltweit und steuert mit Riesenschritten einem Börsengang entgegen. Angeblich ist das Unternehmen, das von Werbeanzeigen und seinem unglaublichen Datenberg lebt, bis zu 100 Milliarden Dollar wert - doch der große Optimismus von Firmengründer Mark Zuckerberg ist in den vergangenen Monaten geschwunden: Facebook hat tatsächlich mit Problemen zu kämpfen, angefangen bei der Datensicherheit.

Schließlich ist Facebook (auch dank der Freigiebigkeit seiner Nutzer) mehr denn je ein Spionage-Tool geworden, bei dem pikante, intime Details aus dem Leben der Nutzer immer häufiger missbräuchlich verwendet werden. Mit ein Grund, weshalb in den USA eine kleine Massenflucht aus dem Netzwerk eingesetzt hat, was gerade vor einem Börsengang ordentlich auf den Preis und das Image des Netzwerks drücken kann.

Dennoch: Weil viele Nutzer, vor allem Jugendliche, mittlerweile beinahe ihre gesamte Kommunikation über Facebook abwickeln, kommt dem Netzwerk eine enorme Bedeutung zu: Neben der üblichen Posting-Funktionen sind Chat- und Email-Dienste längst auch auf Facebook integriert. Das Ziel: Der Nutzer soll das Netzwerk möglichst nicht mehr verlassen müssen, um verschiedene Aufgaben im Netz zu erledigen. Und: Facebook entpuppt sich auch immer wieder als schnellste News-Plattform: Da gab es bereits Millionen Postings zum Tod von Sängerin Amy Winehouse, noch bevor die Agenturen ihre Nachrufe veröffentlichten. Facebook hat die Kommunikation beschleunigt. Dass es da Probleme mit persönlichen Daten gibt, müssen die User eben in Kauf nehmen.

Müssen sie? Mit genau dieser Schwachstelle will Google+ punkten und verspricht mehr Privatsphäre für seine Nutzer. Noch ist das Netzwerk nicht für alle geöffnet, sondern befindet sich im Testbetrieb. Dass man zur Mitgliedschaft eingeladen werden muss, ist ein netter PR-Gag mit Exklusivitätsfunktion. Google+ hat den Vorteil, einen eingeführten Markennamen zu besitzen. Dazu kommen die rund 200 Millionen User, die den Google-E-Mail-Dienst gmail nutzen. Von dort ist es nur ein Klick zu Google+.

Bereits zehn Millionen Mitglieder?

Das neue Netzwerk, das nach drei Wochen bereits zehn Millionen Mitglieder haben soll, will mit einer ruhigeren optischen Oberfläche, mit einfacher zu bedienenden Status-Updates und mit der Abwesenheit nervtötender Applikationen wie Farmville punkten.

Dass soziale Netzwerk mit den Daten ihrer User Geld verdienen, ist kein Geheimnis. Welche Auswirkungen das Social-Web aber auf die Kommunikation insgesamt hat, ist noch weitgehend unerforscht. Fest steht jedoch, dass User auch "müde“ werden können: Ein Profil muss schließlich gepflegt werden und das kann in Arbeit ausarten. Status aktuell halten, Bilder und Videos raufladen - viele Nutzer sind überfordert, was die wachsende Zahl an verwaisten, nicht mehr aktualisierten Profilen beweist. Die vielen "Freunde“, die man im Netz hat, zeigen also mitunter: Freundschaft macht unfrei.

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